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Entscheidend bleibt, für andere offen zu sein

Generalvikar Raimund Sternal über die Chancen der Gemeinden nach deren Umstrukturierung

Magdeburg. Vor fünf Jahren begann die Reorganisation des Bistums. Generalvikar Raimund Sternal zieht in einem Interview Bilanz.

Generalvikar Raimund Sternal

Herr Generalvikar, am Beginn der Reorganisation des Bistums haben Sie in einem Gespräch gesagt: "Wir müssen heraus aus der Resignationsfalle!" Ist das gelungen?

Ich denke, es ist an vielen Orten gelungen, aber noch nicht überall. Die strukturellen Veränderungen sind ja umfassend und finden auf allen Ebenen unseres Bistums statt. Sie sind zunächst auch eine Mehrbelastung für die Menschen in unseren Gemeinden und Einrichtungen. Da braucht es langen Atem und viel guten Willen, um den Blick für die neuen Herausforderungen zu öffnen. Mit Freude höre ich aber mittlerweile immer öfter, dass die Veränderungen in den Pfarreien angenommen werden. Da sind Menschen aktiv, die sich nicht von Resignation bestimmen lassen.

Spüren Sie da bereits etwas von dem angestrebten Mentalitätswandel?

Ich denke schon. Entscheidend bleibt aber die Öffnung unserer Gemeinden und Gemeindemitglieder auf andere hin: auf Zugezogene und Neugetaufte, auf Menschen, die nicht zu unseren Gemeinden gehören. Wir sollten auch die Anliegen der Nichtchristen um uns herum wahrnehmen.

Ganz wichtig bei der Realisierung des Mentalitätswandels sind schließlich die Pastoralvereinbarungen, die jede Pfarrei vor ihrer Gründung erstellen musste. Damit hat jede Pfarrei festgehalten und vom Bischof bestätigt bekommen, was sie besonders ausmacht, wo ihre Stärken und Chancen liegen. Das gilt es jetzt Schritt für Schritt umzusetzen und weiterzuentwickeln.

Eine neue Bistumskarte, die in diesen Tagen erschienen ist, führt vor Augen, wie groß die Pfarreien und Dekanate jetzt sind. Sind Pfarrer und Gemeinden damit nicht überfordert?

Es sind zum Teil wirklich große Pfarreien, aber oft eher der Fläche nach. Viele katholische Christen - vor allem in der Altmark - leben sehr vereinzelt. Da sind sowohl für die Gemeindemitglieder als auch für die Seelsorger und Seelsorgerinnen weite Wege zurückzulegen. Eine beständige Frage ist, wie Zuständigkeiten und Verantwortung unter den neuen Umständen verteilt werden. Der Pfarrer kann und darf nicht mehr für alles zuständig sein, er muss Aufgaben delegieren.

Und dabei spielt das Engagement der Laien und das Ehrenamt eine zunehmend wichtige Rolle …

Richtig. Wir müssen noch stärker als bisher auf das Engagement unserer Gemeindemitglieder setzen, ihnen Verantwortung zutrauen und ihren Fähigkeiten vertrauen. Katholische Kirche ist schließlich nicht der Pfarrer alleine, sondern die jeweilige Gemeinde vor Ort zusammen mit ihrem Pfarrer. Schon der Apostel Paulus schreibt, dass jeder seine besonderen Gnadengaben hat. Die gilt es zu entdecken, zu fördern und einzubringen.

Das fällt aber noch nicht jedem leicht …

Unsere Gemeinden waren über Jahrzehnte pfarrerzentriert. Das hat sich natürlich nach beiden Seiten ausgewirkt. Unsere Pfarrer werden mittlerweile für die neuen, veränderten Aufgaben regelmäßig fortgebildet. Ich bin sicher, dass das nach und nach gute Frucht bringen wird.

Ein wichtiges Projekt, das die Mentalitätsänderung befördern und trotz großflächiger Pfarreien katholische Kirche in der Fläche präsent machen soll, ist das VOLK-Projekt "Vor Ort lebt Kirche" …

Hier versuchen wir genau das, wovon gerade schon die Rede war, zu verwirklichen: In den Pfarreien unseres Bistums werden - zunächst in dafür geeigneten Orten und entsprechend der örtlichen Gegebenheiten - Menschen gesucht, die als Team vor Ort Verantwortung dafür übernehmen, dass die Grundvollzüge der Kirche verwirklicht werden können. Diese Ehrenamtlichen werden dann sowohl vom Pfarrer als auch von Seiten des Bistums in ihrer Berufung als getaufte und gefirmte Christen bestärkt und begleitet.

Welche konkreten Aufgaben sollen Laien im Rahmen des VOLK-Projektes übernehmen?

Zunächst einmal geht es nicht in erster Linie darum, "Aufgaben zu verteilen", sondern darum, die Gaben - Charismen - der Menschen zu entdecken und sie zu ermutigen, diese im Rahmen ihrer Möglichkeiten einzubringen. Daraus ergeben sich dann die konkreten Aufgaben. Das Spektrum ist dabei sehr weit und umfasst zumindest potentiell alle Aufgaben, die nicht zwingend von einem hauptamtlichen Mitarbeiter wahrgenommen werden müssen oder von einem Priester. Beispiele wären zunächst die Wort-Gottes- Feiern und Besuchsdienste, aber auch die Aufgabe, offizieller Ansprechpartner am Ort zu sein und katholische Kirche gegebenenfalls öffentlich zu repräsentieren. Insgesamt ist es wichtig, dass das Ehrenamtlichen-Team nicht alles selbst tun muss. Es gehört zu seinen Aufgaben, auch andere Menschen dafür zu gewinnen, mit ihnen gemeinsam dafür zu sorgen, dass Kirche vor Ort sichtbar und lebendig sein kann. Wir stehen hier erst am Anfang und beginnen gerade, erste Erfahrungen zu sammeln. Ich bin sehr gespannt, wie sich dieses Vorhaben entwickelt. Wir haben mit dem Evangelium ein Angebot, das wir den Menschen in unserer Region hinhalten und anbieten möchten. Das VOLK-Projekt könnte ein Weg sein, das auch angesichts größerer Pfarreien und mit weniger Priestern möglich zu machen. Ich bin zuversichtlich.

Fragen: Thomas Lazar

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