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Bald den Kirchen ebenbürtig?

Eine Diskussion über Islamische Theologie an deutschen Universitäten

Leipzig. Wie sieht die Zukunft des Islam an deutschen Universitäten aus? In Leipzig diskutierten darüber Wissenschaftler.

Der Islam und die Universität - in Deutschland ging das bisher nur aus der Außensicht zusammen. Fächer wie die Arabistik, die Orient- und natürlich die Islamwissenschaften betrachteten und analysierten ihn aus dem Blickwinkel des unbeteiligten Dritten. Das soll sich möglichst geschwind ändern. An deutschen Universitäten wurden in den letzten Jahren neue Fachbereiche gegründet, meist "Islamische Studien" genannt.

Einer der Professoren, der den Aufbau antreibt, ist Bülent Ucar von der Universität Osnabrück. Seit 2008 lehrt er dort islamische Religionspädagogik. An diesem Abend sitzt er auf dem Podium in der Sächsischen Akademie der Wissenschaften in Leipzig, gemeinsam mit drei Wissenschaftlern der arrivierten Studiengänge und dem Präsidenten der Akademie. Das Thema: "Islam - Mythos und Wirklichkeit".

Ucar setzt sich ein für die Gleichberechtigung der Islamischen Theologie, wie er sein Fach nennt. Solle das Projekt nicht auf der Akzeptanzebene scheitern, sagte er, müsse für die muslimische Minderheit in Deutschland dasselbe gelten, was auch für die Kirchen gilt: Freiheiten bei der Berufung der Lehrenden und bei der Lehrplanentwicklung. Die Etablierung der islamischen Theologie an den Universitäten sei, so Ucar, zudem nicht nur ein genuines Eigeninteresse der Muslime, sondern auch wichtig für Deutschland, damit sich die dort ausgebildeten Theologen an gesellschaftlichen und ethischen Debatten beteiligen können. Das Projekt, das derzeit noch in den Kinderschuhen steckt, ist trotz der guten Absichten auf beiden Seiten ein Politikum. Als "Minenfeld" bezeichnet Ucar den Grund, auf dem es aufgebaut wird.

Um diese Minen entschärfen zu können, sei es von besonderer Bedeutung, die Trennlinien selbst zum Forschungsgegenstand zu machen, sagt Angela Neuwirth. Seit 2007 leitet die Professorin für Arabistik an der Freien Universität Berlin das Projekt "Corpus Coranicum", das den Koran mit der historisch-kritischen Methode erforscht. Der Koran werde dabei als ein Teil der europäischen Bibliothek gelesen, als ein Debattenbeitrag unter vielen in der Spätantike. Damit sei ein Aufbruch der Grenzen verbunden, den sich vor allem die junge Generation wünsche.

Diese Generation ist dieselbe, die zurzeit die arabische Welt in Aufruhe versetzt, dort für Freiheit und Demokratie kämpft. Mit dem weit verbreiteten Vorurteil, Islam und Demokratie gehörten nicht zusammen, müsse damit nun spätestens aufgeräumt werden, sagt der Arabist und Islamwissenschaftler Stefan Leder von der Universität Halle-Wittenberg. Dieser Gedanke gehöre auf den Abfallhaufen der Geschichte. Das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass er dorthin gehöre und dort bleibe, sei auch eine Vermittlungsaufgabe aller Fachbereiche der Universitäten, die sich mit dem Islam beschäftigen, sagte Bülent Ucar. Denn die Umfragen sprechen noch eine andere Sprache: Mehr als die Hälfte der Deutschen verbinden mit dem Islam Begriffe wie Intoleranz und antidemokratisch.

Die neuen Fachbereiche haben dabei schon rein symbolisch eine wichtige Funktion: Sie sollen zeigen, dass der Islam auch an Schulen und Universitäten neben den beiden großen christlichen Konfessionen zum Normalfall in der modernen Einwanderergesellschaft werden kann. Die Ausbildung von Religionslehrern und Imamen in deutscher Sprache habe aber auch einen machtpolitischen Grund, sagte Ucar. Denn bislang wurden sie zu Hunderten aus dem Ausland importiert. Zumeist aus der Türkei, einem der Verfassung nach laizistischen Staat, mit Billigung der Regierung.

Von Kilian Trotier

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