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Zukunft haben Stadtgemeinden

Peter Danisch war 17 Jahre Priester in katholischen Gemeinden Sibiriens

Von Eckhard Pohl
Magdeburg. 17 Jahre lang war Peter Danisch als Priester in Sibirien tätig. Vor einem halben Jahr kehrte er in seine Heimatstadt Magdeburg zurück. Seine Erfahrungen im Bistum "Verklärung des Herrn" von Nowosibirsk bieten einen Teileinblick in die Lage der katholischen Kirche in Russland.

"Solange es meine Kräfte und Möglichkeiten zulassen, will ich die katholischen Gemeinden und meine zurückgelassenen Freunde in Russland unterstützen", sagt Peter Danisch. Im September vergangenen Jahres ist der 70-jährige Priester aus Sibirien zurückgekehrt. Seit 1993 war er dort als Seelsorger im Einsatz. "Ich war wirklich gern in Russland", sagt Danisch, der jetzt in Magdeburg lebt. Russische Menschen gingen zwar auf den ersten Blick nicht selten ziemlich grob miteinander um. "Wenn man sie aber persönlich näher kennenlernt, erlebt man viel menschliche Wärme, Herzlichkeit und Gastfreundlichkeit".
Als der Priester von Osterwieck im Bistum Magdeburg aus ins sibirische Tscheljabinsk ging, schloss er sich den Pfarrern Wilhelm Palesch, Lucian Gehrmann (beide Bistum Erfurt) und Reinhard Franitza (Bistum Hildesheim) an, die er durch die Fokolarbewegung kannte. Gemeinsam mit ihnen wirkte er zunächst sechs Jahre lang in der Industriestadt im Südural. Aus einer Gruppe von anfänglich fast nur russlanddeutschen Großmüttern entwickelte sich dort eine lebendige Gemeinde mit gutem Altersdurchschnitt. "Besonders die Jugend prägte und belebte das Gemeindeleben", erinnert sich Danisch. "Jedes Jahr wurden zig Menschen jeden Alters getauft. Allerdings wurden nicht alle davon ständige Gemeindemitglieder." Eine der größten neuen katholischen Kirchen Russlands mit Gemeindezentrum entstand.
1999 wurde Danisch von Bischof Josef Werth nach Nowosibirsk in die bischöfliche Verwaltung gerufen. 2003 bis 2006 war er dann Pfarrer in Omsk und zuletzt bis zum Sommer vergangenen Jahres Pfarrer in Slawgorod, einer Kleinstadt im Altaigebiet in der Nähe der Grenze zu Kasachstan.

Die katholische Kirche kann in Russland frei wirken
"Die Kirche kann heute als Institution in Russland frei arbeiten", sagt Pfarrer Danisch. "Sie wird wie andere verfassungsgemäße Organisationen behandelt." Insgesamt gebe es in der russischen Gesellschaft wenig Feindseligkeit gegenüber gläubigen Menschen. "Es herrscht entweder Desinteresse oder eine freundlich positive Einstellung." Viele nehmen gern bei besonderen Anlässen an kirchlichen Riten teil, lassen sich kirchlich trauen, die Kinder taufen, beerdigen ... Allerdings bestehe eine gewisse Angst vor Sekten. Da die katholischen Gemeinden oft klein sind, seien sie in der Gefahr, für eine Sekte gehalten zu werden.
"Immer schwieriger werde in den letzten Jahren die Verwaltung und der Erhalt und Betrieb der Kirchen und kirchlichen Gebäude", sagt Danisch. Die Gemeinden selbst könnten nur einen Bruchteil der Mittel aufbringen. Familien hätten nicht einmal das Geld, ihre Jugendlichen an überpfarrlichen Treffen teilnehmen zu lassen.
Der äußere und innere Aufbau der katholischen Kirche in Russland wurde und wird zum größten Teil mit den Spenden der deutschen Katholiken durch die Hilfswerke "Renovabis" und "Kirche in Not/Ostpriesterhilfe" finanziert. Allerdings würden die beiden Institutionen im Gegensatz zu den ständig steigenden Preisen ihre Zuschüsse für Betriebs- und Benzinkosten kontinuierlich zurückfahren, sagt Danisch. Sehr belastend für alle in der Kirche Tätigen sei die stetig wachsende Bürokratie. Die Behörden versuchten, Unordnung und Nachlässigkeit mit strengeren Gesetzen zu begegnen. So gebe es auch in kirchlichen Einrichtungen plötzliche Kontrollen mit überzogenen Forderungen etwa im Blick auf Sicherheitsstandards und damit einhergehende Strafgebühren.
Hinzu komme: "Nachdem sich die Lebenssituation Anfang der 2000er Jahre zu stabilisieren begann, nahmen die Wirtschaftskrise und in der Folge verbreitete Arbeitslosigkeit und Teuerungen erneut vielen Menschen jede Perspektive." Auch talentierte, arbeitswillige junge Menschen fänden sehr schwer Arbeit. Etwas bessere Ausbildungen oder gar ein Studium kosteten für viele unerschwingliche Summen.
"Bis vor einer Weile haben wir gehofft, dass die katholischen Gemeinden wachsen werden", sagt der Pfarrer. Mit Hilfe von "Renovabis" und "Kirche in Not" wurden in Nowosibirsk, Tscheljabinsk, Jekaterinenburg, Omsk und Slaw-gorod neue Kirchen errichtet. Eine Reihe kleinerer Pfarreien erhielten einheitliche Fertigteilkirchen. Heute kämen in der Millionenstadt Nowosibirsk sonntags zirka 200 Katholiken zur heiligen Messe, in Slawgorod mit seinen zirka 35 000 Einwohnern, wo Danisch zuletzt wirkte, seien es rund 20 Gottesdienstteilnehmer.
"Russland ist eben doch ein von der orthodoxen Kirche geprägtes Land. Das orthodoxe Denken und Fühlen ist trotz der langen atheistischen Periode in der Gesellschaft verwurzelt." Vielerorts würden orthodoxe Kirchen saniert oder neu gebaut. "Aber ehe Kirche und Christentum von einer Mehrheit wirklich wieder verinnerlicht sein werden, wird noch eine Weile vergehen", sagt Danisch.

Ein von der orthodoxen Kirche geprägtes Land
In den größeren der römisch-katholischen Gemeinden bestünden Gruppen mit Kindern, Jugendlichen, jungen Familien und Rentnern. Die Caritas unterhalte Einrichtungen, aber es gebe auch ehrenamtliche Caritas-Arbeit. Zugleich aber seien viele der oft deutschstämmigen Katholiken besonders in den ländlichen Gebieten inzwischen ausgewandert, was ein Schrumpfen der Gemeinden bedeute. "Kleine Gemeinden werden vermutlich weitgehend aussterben", sagt Danisch. "Nur in den größeren Orten werden die katholischen Gemeinden wohl Bestand haben."
Um so mehr will Pfarrer Danisch so lange er kann Gemeinden in Russland von Zeit zu Zeit besuchen und sie unterstützen. Wer ihm dabei helfen will, kann sich bei ihm unter Tel. 0391/50959370 melden.

Hintergrund: Angaben zur römisch-katholischen Kirche in Russland
Zur gesamten römisch-katholischen Kirche in Russland gehören nach vagen Angaben bis zu 750000 Mitglieder. Sie leben im Erzbistum Mutter Gottes von Moskau und dessen Suffraganbistümern St. Clemens (Saratow), St. Josef (Irkutsk) und Verklärung des Herrn (Nowosibirsk). (Unter Rücksicht auf das Selbstverständnis der russisch-othodoxen Kirche als der Kirche Russlands wurden die 2002 neu errichteten Bistümer nach Heiligen und nicht nach den Bischofssitzen benannt.) Ganz im Osten gibt es zudem die Apostolische Präfektur Juschno-Sachalinsk. Im Apostolischen Exarchat von Moskau sind die katholischen Christen des byzantinischen Ritus beheimatet.
Erzbistum Mutter Gottes von Moskau: 58,8Millionen Einwohnern, schätzungsweise 200000 Katholiken (2007) in 63 Pfarreien; 60 Diözesan- und 75 Ordenspriester (2007), 133 Ordensbrüder und 138 Ordensschwestern
Bistum St. Clemens mit Bischofssitz Saratow: 45 Millionen Einwohner, 20900 Katholiken (2007) in 52 Pfarreien und Gemeinden, 19 Diözesan- und 30 Ordenspriester, 37 Ordensbrüder und 70 Schwestern (2007)
Diözese Verklärung des Herrn mit Bischofssitz in Nowosibirsk: 25,2 Millionen Einwohner, vagen Angaben zufolge 500000 Katholiken in 30/72 Pfarreien (Üblicherweise werden alle registrierten Gemeinden als Pfarreien bezeichnet.) 160 Außenstationen, 23 Diözesan- und 21 Ordenspriester, zudem einige griechisch-katholische (teilweise verheiratete) Priester, 74 Ordensfrauen. Wie auch in den anderen Diözesen stammen die Seelsorger aus Polen, der Slowakei, Italien, Deutschland, Irland, den USA. Einheimischen Priesternachwuchs gibt es kaum. Wurde in der Vergangenheit der Gottesdienst nicht selten in Deutsch, Polnisch, Litauisch gehalten, finden die Messen heute weithin in russischer Sprache statt. Außenstationen sind bis 200 Kilometer von der Pfarrei entfernt. Dort finden die Gottesdienste in Wohnungen, anderen Privat- oder kommunalen Räumen statt. Religionsunterricht wird am Wochenende in Zusammenhang mit der Eucharistiefeier gehalten.
Diözese St. Josef von Irkutsk: 15,5 Millionen Menschen, schätzungsweise 50000 Katholiken, 81 Pfarreien / Gemeinden, 14 Diözesan- und 25 Ordenspriester, 55 Ordensfrauen und 34 Ordensbrüder (2004)
Apostolische Präfektur Juschno-Sachalinsk: rund 515000 Einwohner, 2100 Katholiken (2004) in sieben Pfarreien, zwei Ordenspriester, zwei Ordensbrüder (2004).

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