"Ich dachte, Religion sei Opium …"
Schwester M. Sofja Spitsyna gehört zur katholischen Minderheit im ehemaligen Nordostpreußen
Von Holger Jakobi
Friedrichroda / Kaliningrad. Es ist nicht einfach, in Russland katholisch zu sein. Sofja Spitsyna wagte es dennoch. Heute ist sie Schönstätter Marienschwester und gehört zur Ostprovinz, die ihren Sitz in Friedrichroda hat.
Eigentlich unterschied sich Sofja Spitsyna nicht von anderen Jugendlichen in der ehemaligen Sowjetunion. Ihre Mutter ist Litauerin, ihr Vater Russe. Aufgewachsen sind Sofja Spitsyna und ihr Bruder im ehemaligen Königsberg, dem heutigen Kaliningrad. Vom Christentum wussen sie nichts, die kommunistische Ideologie wurde einfach nicht infrage gestellt. Doch dann kam die Wende 1991 auch in der Sowjetunion an. "Bis dahin wusste ich nur, dass Religion Opium für das Volk sei", berichtet Schwester Sofja. In einem Ferienlager in Litauen - wo eine Katechese angeboten wurde - lernte sie dann den christlichen Glauben kennen. "Erst habe ich gedacht, ich gehe da nicht hin. Aber es war so langweilig und so entschloss ich mich, doch an der Katechese teilzunehmen. Und ich war fasziniert und überwältigt. Schließlich bin ich zur Lehrerin gegangen und habe gesagt, dass ich getauft werden möchte." Ihr Bruder ging einen ähnlichen Weg und ist heute katholischer Priester. Inwischen sind auch ihre Eltern Christen.
Heute gehört Schwester M. Sofja Spitsyna zu den Schönstätter Marienschwestern, die seit 1992 eine Außenstelle in Kaliningrad unterhalten. Bis zu ihrem längerem Deutschlandaufenthalt - sie nimmt unter anderem an einer Weiterbildung in Schönstatt / Vallendar teil - war Schwester Sofja in Snamensk (Wehlau) tätig, wo den katholischen Christen heute wieder die alte katholische Kirche in Besitz nehmen konnten. In Kalliningrad selbst war dies nicht möglich. Zwanzig Jahre bemühten sich die katholischen Christen dort um eine Rückgabe der katholischen Pfarrkirche "Zur heiligen Familie". Erfolglos. Das Regionalparlament in Kaliningrad sprach die Kirche und weitere 14 Gotteshäuser - so die evangelische Königin-Luise-Gedächtniskirche - der russisch-orthdoxen Kirche zu. Dies allerdings steht im Widerspruch zur Gesetzeslage. Ein von Präsident Dmitri Medwedew unterzeichnetes Gesetz sichert den Anspruch der Religionsgemeinschaften auf Rückgabe ihres Eigentums, das ihnen nach 1917 genommen wurde.
Dennoch gibt es in Kaliningrad katholisches Leben. Begonnen hatte alles mit einem Priester, der 1989 aus Litauen kam. Erste Gottesdienste wurden von einem Kapellenwagen aus gefeiert, der vor der Kirche stand, die als Konzertsaal genutzt wurde. Insgesamt, so Schwester Sofja, gibt es in Nordostpreußen heute 20 katholische Gemeinden, die Hauptstadt Moskau hat im Vergleich dazu nur zwei.