Besinnung auf Soziale Marktwirtschaft
Schmochtitzer Forum: Hengsbach über nötige Konsequenzen aus der Finanz- und Wirtschaftskrise
Schmochtitz (mh). Wenn die richtigen Konsequenzen gezogen werden, dann ist die gegenwärtige Finanz- und Wirtschaftskrise eine Chance. Welche Konsequenzen das sein müsste, erklärte kürzlich der Jesuitenpater und Sozialethiker Friedhelm Hengsbach in Schmochtitz.
Nach Ansicht des Jesuitenpaters und Sozialethikers Friedhelm Hengsbach ist die gegenwärtige Finanz- und Wirtschaftskrise beispiellos. Zwar habe es in den letzten 20 Jahren sieben Wirtschaftskrisen gegeben. Diese hätten sich aber am Rand des weltweiten Wirtschaftssystems abgespielt und das Zentrum habe sie unbeschadet überstanden. Das sei diesmal anders, sagte er beim Schmochtitzer Forum, das in Kooperation mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund in Sachsen stattfand.Bundeskanzlerin Angela Merkel habe die Krise als Chance bezeichnet. Das trifft nach Hengsbachs Überzeugung allerdings nur zu, wenn es zu einem wirklichen Neustart kommt und nicht nur zu Reparaturen des "angeblich Bewährten".
Allerdings beobachte er in der Finanzwirtschaft gegenwärtig die Tendenz zu Reparaturen. So werde zwar eingestanden, das seitens der Banken Fehler gemacht worden seien und deshalb Aufsicht und Kontrolle verbessert werden müssen. Allerdings tue man so, als handele es sich dabei um individuelles Fehlverhalten, statt um Fehler des Systems, die korrigiert werden müssten. Die meisten politischen Forderungen hätten deshalb eher den Charakter der Renovierung. Hengsbach forderte stattdessen einen wirklichen Neustart jenseits des "anglo-amerikanischen Finanzkapitalismus".
Für einen solchen Neustart genügt nach Hengsbachs Ansicht eine Stärkung des Staates ebensowenig wie das "Vertrauen in die Selbstheilungskräfte des Marktes". Der Staat habe durch soziale Entsicherung (Rückbau der solidarischen Absicherung zugunsten privater Vorsorge) und durch die Entregelung der Arbeitsverhältnisse (zum Beispiel durch Leih- und Zeitarbeit) zur Krise beigetragen. Der Staat habe sich sogar in den Sog der Krise hineinziehen lassen, indem er seinen Schwerpunkt auf die Rettung des Bankensystems gelegt habe. Begründet werde das damit, dass andersfalls ein Zusammenbruch des Zahlungsverkehrs drohe. Die Konsequenz heißt nach Hengsbachs Ansicht allerdings: "Jetzt sitzen die Brandstifter an den Steuern der Löschfahrzeuge." Im Rahmen der Bankenrettung erfolge keine Spurensicherung, um später eventuell Verantwortliche zur Rechenschaft ziehen zu können.
Was Hengsbach sich unter einem wirkliche Neustart vorstellt, nennt er eine Besinnung auf die Grundpfeiler des sogenannten Rheinischen Kapitalismus. Darunter versteht man im Gegensatz zum zurzeit vorherrschenden anglo-amerikanischen Finanzkapitalismus insbesondere das Modell der deutschen Sozialen Marktwirtschaft.
Beim Rheinischen Kapitalismus hätten - statt der Finanzmärkte - der Staat und die Zivilgesellschaft das Sagen. Bei wirtschaftlichen Entscheidungen würden auch die Interessen der Belegschaften berücksichtigt und nicht nur die Interessen der Aktionäre. Und statt durch private Vorsorge funktioniere das soziale Sicherungssystem solidarisch. Hengsbach kritisierte die "Logik des Finanzkapitalismus", nach der der von einem Unternehmen erzielte Überschuss ausschließlich den Kapitalgebern zustehe, statt auch für die Arbeitnehmer, die Umwelt und die Gesellschaft eingesetzt zu werden. Im Finanzkapitalismus fließe der Überschuss aber allein an die Aktionäre. Wer fremde Arbeitskraft brauche, könne den Überschuss nicht allein für sich behalten. "Das ist Diebstahl."