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Tiefgang im Ankunftsbereich

Für das ökumenische Seelsorgeteam ist der Dresdner Flughafen ein Ort unvergesslicher Begegnungen

Dresden. Seit zehn Jahren ist am Dresdner Flughafen ein ökumenisches Team aus neben- und ehrenamtlichen Seelsorgern für Reisende, ihre Angehörigen und das Flughafenpersonal da.

Christiane Beyer, Harald Wolf, Marianne Rau, Prädikant Andreas Sembdner und Pfarrer Bernd Fischer (von links) neben dem neuen Werbe- Aufsteller, der auf die Flughafenseelsorge im Ankunftsbereich des Dresdner Flughafens hinweist.

Ihren spontanen Entschluss, ehrenamtlich bei der Flughafenseelsorge mitzuarbeiten, hat Christiane Beyer in den zurückliegenden zehn Jahren nie bereut. "Ich fahre jedesmal bereichert nach Hause", erzählt die Radeburger Katholikin. "Oft wird mir auf dem Heimweg bewusst: Heute habe ich zwar nur ein einziges Gespräch geführt, aber für diesen einen Menschen hat sich mein Einsatz gelohnt." Im kleinen Büro- und Gesprächsraum neben der Flughafenkapelle im Ankunftsbereich des Flughafens sind Christiane Beyer und ihre ehrenamtlichen Kollegen eher selten anzutreffen. Eher sind sie auf dem Flughafengelände unterwegs, mit wachem Blick für Passagiere oder Besucher, denen es gut tun könnte, mit jemandem zu sprechen.

Marianne Rau, evangelische Ruheständlerin aus Dresden, hält sich besonders gern auf der Aussichtsebene des Flughafens auf. Dort, wo auch viele Besucher ohne Flugticket hingehen, um ihrem Fernweh oder anderen Sehnsüchten freien Lauf zu lassen, fällt es ihr leicht, ins Gespräch zu kommen. Eine Pflegeheim-Bewohnerin, die sie dort vor einiger Zeit traf, war mit Rollstuhl und S-Bahn selbstständig zum Airport gekommen, um Flugzeugen nach Frankfurt/ Main beim Starten zuzusehen.

"Meine Tochter wohnt in Frankfurt, und ich würde sie nur zu gerne einmal besuchen", vertraute sie Marianne Rau an. Wegen ihres Namensschilds hatte sie die Seelsorge-Mitarbeiterin zunächst für eine Bedienstete des Flughafens gehalten. Flughafenseelsorge war der alten Dame kein Begriff, doch die Frage, was das denn sei, beantwortete sie sogleich selbst: "Ach ich weiß schon, sie sind einfach ein bissel nett zu den Leuten." - Besser hätte Marianne Rau ihr eigenes Anliegen nicht ausdrücken können.

Sehnsüchte, Hoffnungen, Enttäuschungen - Bernd Fischer, im Hauptberuf katholischer Pfarrer in Dresden-Neustadt, erlebt den Flughafen als hoch emotionales Terrain. Er erzählt von der Mutter, die tagelang alle Maschinen abpasste, die aus dem Heimatland ihres Ex-Mannes eintrafen. Sie hoffte vergeblich, dass der Vater ihres kleinen Kindes der Einladung zur Taufe folgen würde. Auch die frustrierte junge Frau, die nach längerer erfolgloser Stellensuche "einfach nur weg wollte" von Dresden, ist Pfarrer Fischer in lebendiger Erinnerung. Mit ihrem Rucksack hatte sie sich in der Kapelle niedergelassen. Nach über einer Stunde traute er sich, sie anzusprechen. Es folgte ein langes Gespräch und am nächsten Tag ein kurzer Anruf: "Ich bin nun doch erst einmal in Dresden geblieben." Seither hat der Priester nichts mehr von der Frau gehört.

Momentbegegnungen sind es, die seinen Dienst als Flughafenseelsorger prägen. Die Gesprächspartner fühlen sich zu nichts verpflichtet und stoßen vielleicht gerade deshalb schnell zu Wesentlichem durch. "So tiefe geistliche Gespräche wie hier am Flughafen sind in der Pfarrseelsorge eher selten", sagt Bernd Fischer.

14-täglich feiert er eine heilige Messe in der Flughafenkapelle, regelmäßig gibt es auch evangelische Gottesdienste und ökumenische Andachten. Immer wieder wird der schlichte, rund um die Uhr geöffnete Gebetsraum von einzelnen Reisenden oder Flughafenbediensteten genutzt, die einen Augenblick der Stille suchen oder auch von Reisegruppen, die hier gemeinsam beten, so wie die Schülergruppe vom Dresdner St.-Benno-Gymnasium vor ihrem Abflug zum Indien-Austausch. In einem ausliegenden Buch im Vorraum hinterlassen manche ihre Gebetsanliegen. Gelegentlich verirrt sich auch jemand von den gegenüberliegenden Toiletten hierher, weil er das Symbol der betenden Hände auf den Kapellen- Wegweisern als Hinweis auf eine Gelegenheit zum Händewaschen missdeutet.

Überwältigende Teilnehmerzahlen können Pfarrer Fischer und sein evangelischer Kollege Clemens Michael Kluge bei ihren Gottesdiensten in der Flughafenkapelle selten verzeichnen. "Ich verstehe die Gottesdienste hier aber nicht zuletzt als stellvertretendes Gebet", erklärt er. "Wenn wir an einem Ort wie diesem nicht an Gott denken, wer dann?" Immer wieder erlebt der Seelsorger, dass den Christen auf dem Flughafen unerwartetes Vertrauen entgegengebracht wird. Eine nicht gläubige leitende Flughafen-Mitarbeiterin bat ihn beispielsweise, zu ihrem Vater zu gehen, der seit Monaten mit dem Tode rang, sein Leben aber nicht loszulassen vermochte. Er besuchte den Mann und gab ihm seinen Segen. Am Tag darauf starb er.

Die Flughafenseelsorge Dresden lädt anlässlich ihres zehnjährigen Bestehens am 28. März um 18 Uhr zu einer ökumenischen Dankandacht in die Flughafenkapelle ein.

Von Dorothee Wanzek

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