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Anstoß

Maly allein zu Haus - Einfach mal richtig streiten

Guido Erbrich

Mit meiner großen Tochter bin ich nach Leipzig gefahren. Die beiden Kleinen bleiben mit Mama daheim im Land der Frühaufsteher. Etwas frustriert meldet sich am Abend Maly, die freche Erstklässlerin, übers Telefon: "Ohne Jola ist es richtig langweilig. Ich habe niemanden, mit dem ich mich streiten kann!" Wenn die beiden Mädchen sich streiten, hält man sich als Erwachsener am besten raus. Sie finden ohnehin meist schneller zueinander, wenn sich die Eltern nicht als Friedensengel einmischen.

Grund genug einmal über die positiven Aspekte von Streit nachzudenken. Viel zu schnell sind wir dabei, Streit als etwas abzutun, was wir nicht brauchen. Doch oft klärt ein ordentlich geführter Streit weitaus besser Probleme, als wenn über schwierige Themen der rosarote Mantel der Liebe gebreitet wird. Ein richtig guter Streit ist ein Erlebnis. Denn darin geht es um die Sache, um richtige Lösungen und nicht darum, sich gegenseitig abzuqualifizieren. Streit kann sehr produktiv sein. In der Suche nach dem besten Argument kann innerhalb kurzer Zeit die Lösung von Problemen vorangebracht werden. Im Unterschied zu Streithähnen akzeptieren sich Streitpartner trotz ihrer unterschiedlichen Meinungen, pflegen einen offenen und ehrlichen Umgang und lassen Hinterhältigkeiten einfach draußen.

Diese Form von Streit wünsche ich mir in der jetzigen Auseinandersetzung unserer Kirche um den richtigen Weg in die Zukunft. Wenn wir Christen zu so einem Streit in der Lage sind, dürfen inhaltlich ruhig die Fetzen fliegen. Schon Petrus und Paulus streiten sich um die richtige Verkündigung des Evangeliums; die ganze Kirchengeschichte hindurch wird - mal besser mal schlechter - um den besten Weg zu Christus gerungen. Warum bitteschön sollte das in unseren Tage anders sein? Keine Angst - die Kirche hält eine fair geführte Debatte schon aus. Nicht umsonst bekennen wir gemeinsam im Glaubensbekenntnis, dass wir an den Heiligen Geist glauben. Trauen wir ihm was zu!

Was dagegen jeden guten Streit tötet, ist ein geistloses Klima, in dem andersdenkenen Mitchristen die Katholizität abgesprochen wird. Kleinkariertes Scheuklappendenken ist nicht katholisch und wird es nie werden - egal, wie selbstsicher manche Verkünder auftreten. Wenn Gott meine Seele auf weiten Raum stellt, muss ich nicht die Speisekammer zur Welt erklären.

Zurück zu unseren Töchtern. Eigentlich mögen sie sich, spielen zusammen, schenken sich was zum Geburtstag, ärgern ihre Eltern und kommen im Großen und Ganzen mit sich und der Welt klar. Keine Frage: Diese beiden Streithammel gehören zur Familie. Langweilig ist es bei uns nicht! Und in der Kirche - Gott sei Dank - auch nicht. In ihr bin ich zu Hause, auch wenn es immer mal heiß hergeht.

Guido Erbrich, Magdeburg

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