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Das gab es doch!

Antisemitismus in der DDR: Wanderausstellung "Das hat’s bei uns nicht gegeben" war in Erfurt

Erfurt (mh). "Das hat’s bei uns nicht gegeben!" heißt eine Wanderausstellung der Amadeu- Antonio-Stiftung über Antisemitismus in der DDR, die jetzt in Erfurt zu sehen war. Dazu gab es Vorträge zum Thema, aber auch zum Antisemitismus bei Martin Luther

Eigentlich sollte es in der DDR keinen Platz für Antisemitismus gegeben haben. Der Arbeiter-und- Bauern-Staat hatte - so verkündete die Propaganda - auf seinem Gebiet den Nazismus ausgerottet und den Antifaschismus zum Prinzip gemacht. Doch zwischen solchen Parolen und dem DDR-Alltag blieb viel Platz für Antijüdisches. Eine Reihe von Beispielen aus 40 Jahren DDR haben 76 Jugendliche für die Wanderausstellung "Das hat’s bei uns nicht gegeben" der Amadeu- Antonio-Stiftung zusammengetragen. Dass die Ausstellung damit einen wunden Punkt getroffen hat, zeigen Reaktionen wie die des Historikers Kurt Pätzold, der bis Ende 1990 Lehrstuhlinhaber für Neuere Geschichte an der Ostberliner Humboldt-Universität war. Er bewertet sie als Produkt einer Anti-DDR-Propaganda.

Dass in der DDR im Vergleich zur alten Bundesrepublik Antisemitismus in der Bevölkerung weniger verbreitet war, könnte man mit Statistiken belegen. Zwar gibt es keine Erhebungen aus DDR-Zeiten, aber 1991 vertraten nur zwölf Prozent der Ostdeutschen antisemitische Ansicht, im Westen waren es 22 Prozent. Inzwischen gibt es diesen Ost-West-Unterschied nicht mehr. Die Ausstellung zeigt allerdings, dass es spätestens seit Ende der 70er Jahren unter der DDR-Bevölkerung zunehmend antisemitische Vorfälle gab - von Grabschändungen über Schmiereien bis hin zu aus dem Nazi-Jargon entlehnten Begrüßungsformeln unter Jugendlichen. In der Regel wurden derartige Vorfälle als Dumme-Jungen-Streiche und Rowdytum verharmlost.

Auch die Politik der DDR trug gelegentlich antisemitische Züge. Zwar wurde das offiziell geleugnet, doch im Interesse der Ideologie konnte Antisemitismus notwendig sein, wie die Ausstellung zeigt. Damit stand die SED in der Tradition der deutschen Arbeiterbewegung, die den Antisemitismus zwar prinzipiell ablehnte, ihn sich aber gelegentlich zunutze machte. So ist beispielsweise von Walter Ulbricht der Satz überliefert: "Hätte Hitler die jüdischen Kapitalisten nicht enteignet, hätten wir es getan."

Zu den Höhepunkten des Antisemitismus im sozialistischen Lager gehören die Schauprozesse der Jahre 1952/53. Zwar fand ein in der DDR geplanter Prozess wegen des Todes von Stalin nicht mehr statt, doch hatten entsprechende Prozesse in Moskau und in Prag zur Folge, dass 1953 der größte Teil der in der DDR lebenden Juden in den Westen floh. Lebten 1946 in der Sowjetischen Besatzungszone 4500 Juden, zählten die jüdischen Gemeinden in der DDR nach Stalins Tod grade mal noch 350 Mitglieder. Dazu kommen allerdings noch jene Juden, die ihre Religion nicht praktizierten und deshalb nicht als Mitglieder einer Gemeinde gezählt wurden.

Auch im Umgang der DDR mit den Opfer des Nationalsozialismus finden sich antisemitische Züge. Bereits Anfang 1945 kam es in der KPD zu einer Debatte, nach der als "Opfer des Faschismus" nur bezeichnet werden könne, wer auch gegen die Nazis gekämpft habe. Zwar hätten die Juden auch Schweres erlitten, aber sie hätten nicht gegen den Faschismus gekämpft. Diese Auffassung musste zwar wenige Monate später korrigiert werden: Auch Juden wurden als NS-Opfer anerkannt. Eingeführt wurde aber die Unterscheidung zwischen "Opfern des Faschismus" und "Kämpfern gegen den Faschismus", die bis zum Ende der DDR Bestand hatte und die "Kämpfer" gegenüber den "Opfern" besserstellte.

Auch in der Israelpolitik der DDR findet sich der Antisemitismus wieder. Zwar stand die Sowjetunion mit ihren Verbündeten zunächst auf der Seite des 1948 gegründeten Israel, doch schon bald wurde Israel zur "imperialistischen Speerspitze gegen die arabische Welt". Was immer sich an Krisen in der Region ereignete, Israel war schuld. Dabei ging die Propaganda soweit, das Verhalten Israels dem Verhalten Nazideutschlands gleichzustellen, indem man von "Blitzkrieg", "Vernichtungsfeldzug" und "Holocaust" gegen die Araber sprach.

Wie auch immer Wissenschaftler diese verschiedenen Erscheinungsformen des Antisemitismus in der DDR einordnen, für den Jenaer Soziologen Wolfgang Frindte, der einen der Vorträge im Begleitprogramm hielt, ist eines besonders wichtig: "Wenn die Juden in der DDR bleiben wollten, mussten sie ihr Jüdischsein verdrängen. Kommunisten wollten sie, Juden durften sie nicht sein." Hier stehe die DDR in einer langen antisemitischen Tradition: Juden wurden als Menschen nur akzeptiert, wenn sie ihr Jüdischsein verleugneten. Auch das sei eine Form der Vernichtung der Juden als Juden.

Hinweis

Folgende weitere Ausstellungsorte stehen fest: 1. bis 30. April: Zittau (Hillersche Villa, Klienebergerplatz 1), 23. Mai bis 15. Juli: Jena (Friedrich-Schiller- Universität, Am Planetarium 4), 12. September bis 21. Oktober: Steichbach (Gewerkschaft-Bildungsstätte, Waldstr. 31). Weitere Informationen im Internet: www.amadeu-antoniostiftung. de Hier finden Sie auch die Kontaktdaten zu den Verantwortlichen, wenn Sie die Wanderausstellung ausleihen wollen.

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