"Stellvertreter der Vergessenen"
Diakone der Region Ost zu Jahrestagung in Magdeburg / Nachdenken über Selbstverständnis
Magdeburg. Ständige Diakone sind heute hierzulande weithin akzeptiert. Zugleich aber ist das Selbstverständnis des Ständigen Diakonats rund 45 Jahre nach Wiedereinführung dieses Amtes durch das Zweite Vatikanum nicht geklärt. Dies war jetzt Thema einer Tagung von Diakonen in Magdeburg.
Einmal im Jahr treffen sich die Ständigen Diakone der Diözesen der Region Ost zu Tagen der Begegnung und Weiterbildung. Diesmal hatten sich die Geistlichen aus den (Erz-)Bistümern Berlin, Dresden-Meißen, Erfurt, Görlitz und Magdeburg mit ihren Frauen vom 25. bis 27. März in Magdeburg versammelt. "Die Tagung ist die einzige gemeinsame Plattform in der Region Ost, auf der wir uns treffen und austauschen können", sagte Diakon Klaus Lange (55) aus Burg. "Deshalb sind wir für diese Möglichkeit sehr dankbar", so Lange vor allem im Namen der Diakone im Bistum Magdeburg. Inhaltlich bildeten Thesen zum Verständnis von Amt und Dienst des Ständigen Diakons in Deutschland den Schwerpunkt.
Eine stetig steigende "Akzeptanz der Diakone in den Gemeinden" stellte der Tagungsreferent und Leiter des Diakoneninstituts der Erzdiözese Köln, Professor Günter Riße, fest. Zugleich aber sei das Selbstverständnis des Diakons unklar. "Das, was das Wesen des Diakons ausmacht, ist seit Jahren ein Dauerthema", so Diakon Riße vor insgesamt 44 Diakonen, ihren Frauen und den für das Ständige Diakonat Beauftragten aus den Diözesen.
In einem Thesenpapier zum Ständigen Diakonat mit der Überschrift "Diakonat im Prozess - Diakonat im Spannungsfeld theologischer Positionen" solle nun für Deutschland annähernd umschrieben werden, was dieses Weiheamt ausmacht. Federführend dabei ist die Bundesarbeitsgemeinschaft Ständiger Diakonat, der auch Diakon Riße angehört. 2012 soll das derzeit diskutierte Papier verabschiedet und der Bischofskonferenz und der Kleruskongregation in Rom vorgelegt werden. Professor Riße stellte den Diakonen die vorläufigen Thesen vor und lud sie ein, auch schriftlich dazu Stellung zu nehmen.
Zunächst aber beschrieb er die Situation: "Deutschland ist nicht mehr christlich." Schule und Familie sind kaum noch Lernorte des Glaubens. Um so mehr gelte es, sich im Missionsland Europa zu einer Neuevangelisierung aufzumachen. "Alle Christen müssen sich ihrer prophetische Berufung bewusst und sie fruchtbar machen." Dabei sei vor allem das "biografische Glaubenszeugnis" der persönlichen Lebens- und Glaubensgeschichte nötig. "Wir brauchen eine biografische Theologie, der Glaube muss konkrete Gesichter haben", so Riße.
Verantwortung des einen Amtes miteinander teilen
Der Diakon steht mit seinem sakramentalen Amt für den dienenden Christus. Daran wird zu Beginn des Thesenpapiers erinnert. Dieses "Amt kommt von Jesus Christus her und wurzelt in der persönlichen Berufung, die von der Kirche durch die Weihe anerkannt und zur Sendung für andere wird." Das Profil des Diakons lasse sich nur im Rahmen einer näheren Verhältnisbestimmung innerhalb des einen sakramentalen Amtes in seiner dreifachen Ausformung (Bischof, Priester und Diakon) näher bestimmen, erläuterte Professor Riße in Übereinstimmung mit These 3 des Papiers, in dem es weiter heißt: "Dazu muss das Prinzip des Teilens der gemeinsamen Verantwortung gelten; es darf nicht von der Frage nach Macht und Entscheidungskompetenz überlagert und beherrscht werden, auch nicht im Zusammenwirken mit anderen hauptberuflichen Diensten." Eine weitere Frage sei das Verhältnis des Diakons zur Gemeinde als Mitglied und ihr zugleich gegenüberstehend.
Das Zweite Vatikanische Konzil habe keine Veranlassung dafür gesehen, den Dienst genauer zu umschreiben, als es das Ständige Diakonat wieder für die lateinische Kirche einführte. In der Kirchengeschichte war zwar das Ständige Diakonat irgendwann zwischen dem 6. und 9. Jahrhundert aus bis heute nicht geklärten Gründen verschwunden, so Riße. Dennoch blieb es als Durchgangsstufe zum priesterlichen Dienst erhalten. "Auch in der Zeit des Übergangsdiakonats wusste die Kirche stets, was sie tat, wenn sie die Diakonenweihe spendete." Insofern wurde vom Konzil auch kein neues Amt geschaffen.
Um so mehr gelte es, die Wesensmerkmale des Dienstes herauszuarbeiten: "Ist der Diakon Sozialarbeiter, Caritasmann, vor allem Liturge oder Verkündigungsdiakon?" Darüber werde nicht nur von der Bundesarbeitsgemeinschaft Diakonat mit ihrem Thesenpapier, sondern auch von einer Theologengruppe der Bischofskonferenz nachgedacht.
Für ganz wesentlich hält Riße eine weitere Aussage: "Der Diakon repräsentiert Christus, den Diener, der bei den Vergessenen ist, und repräsentiert die Vergessenen, die bei Christus sind, in der Kirche." An welchen Grundhaltungen des Diakons ist dies abzulesen und wo kommt dies etwa in der Liturgie vor, fragt Riße. Und: "Um der Bedeutung der sakramentalen Stellvertretung der Armen willen" gehöre deshalb in jede Pfarrei ein Diakon. Aber auch die These, die den Diakon "als Vermittler und Boten" zwischen Lebenswelt und Kirche oder etwa Familie und Kirche sieht, sage Wesentliches über seinen Dienst.Riße sieht den Diakon in einem auch zu Recht bestehen bleibenden Spannungsverhältnis hinsichtlich seiner Aufgaben in den Bereichen Liturgie, Diakonie, Zeugnis (Martyria) und Gemeinschaft (Koinonia).
Rückgang der Diakon- Berufungen
Trotz wachsender Akzeptanz der Diakone beobachtet Professor Riße einen starken Rückgang nicht nur der Priester-, sondern auch der Diakon-Berufungen. Es gebe zwar durchaus Interessierte. Diese kämen aber oft nicht in die engere Auswahl, weil sie mit ihren Biografien nicht die Anforderungskriterien der Kirche erfüllten. Frauen zu Diakonen zu weihen stehe nicht zur Diskussion, weil es dazu klare Aussagen von Rom gibt. Der Leiter des Diakoneninstituts Köln beklagte, dass in den Bistümern häufig nicht die Kompetenz der Diakone in ihrem Zivilberuf genutzt werde und stattdessen teure Fachleute von außen herangezogen würden.
In der Diskussion mahnten die Teilnehmer an, in die Thesen auch den Aspekt des Ehesakramentes oder der bewussten Ehelosigkeit mit aufzunehmen. Amt und Dienst des Ständigen Diakons müssten in der Priesterausbildung stärker in den Blick genommen werden. Riße selbst sieht zudem, dass die Thesen noch stärker die Dimension des geistlichen Lebens des Diakons herausstellen müssen.
Von Eckhard Pohl