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Als Sünder gemeinsam im Boot

Wie Christen auf dem Neokatechumenalen Weg das Sakrament der Versöhnung feiern

Taucha. "Neues erfinden wir nicht. Wir haben einfach einen Schatz des Zweiten Vatikanischen Konzils ins Licht gerückt", sagt Gemeindereferent Andreas Cerny aus Taucha. In der Nachbarpfarrei Delitzsch sprach er kürzlich davon, wie in seiner Gemeinschaft das Bußsakrament gefeiert wird.

Versöhnung mit Gott und mit den Mitmenschen gehört untrennbar zusammen. Aus diesem Bewusstsein heraus gehört in Taucha zur Versöhnungsliturgie auch der Friedensgruß (das Bild entstand nicht in Taucha).

Wenn in Taucha gebeichtet wird, dann ist das jedesmal ein Fest. Alle vier bis sechs Wochen treffen sich die Gruppen des Neokatechumenalen Weges zu einer Bußfeier in der kleinen, zu diesem Anlass mit Blumen geschmückten Tauchaer St.-Anna-Kirche. Die ganze katholische Gemeinde ist eingeladen, in erster Linie sind aber die Familien des Neokatechumenats von der Partie, darunter viele kinderreiche. Von dem Altersdurchschnitt können die meisten Pfarrer, die hierzulande "Beichtgelegenheit" in ihre Vermeldungen schreiben, nur träumen.

Bei der Gestaltung des Gottesdienstes orientiert sich die Tauchaer Gemeinschaft an dem, was das aktuelle römische Liturgie- Buch für Bußgottesdienste empfiehlt. Zentral ist die Verkündigung eines Schriftwortes, das zur Umkehr einlädt und das anschließend ausgelegt wird. Nach dem allgemeinen Schuldbekenntnis und anderen Gebeten verteilen sich die anwesenden Priester für alle anderen sichtbar im Kirchenschiff. Sie beichten selbst als erste und sind dann bereit, die Beichte der anderen Gläubigen zu hören, die einzeln zu ihnen kommen und die Lossprechung erhalten. Wer gerade nicht selbst dran ist, stimmt in den kräftigen Gesang ein, der alle Sündenbekenntnisse übertönt und nicht abreißt, bis der Letzte fertig ist. Auch dann bleibt man zusammen. Nach einem liturgischen Abschluss, zu dem auch ein Friedensgruß gehört, hält die Festgemeinde in den angrenzenden Pfarrräumen Agapemahl.

"Ich fühle mich bei dieser Form zu beichten nicht so verloren wie im dunklen Beichtstuhl", sagt die 41-jährige Tauchaerin Annett Brüs, die schon häufig an den Bußfeiern in der St.-Anna-Kirche teilgenommen hat. Sie fühle sich dabei jedesmal sehr persönlich angenommen und geliebt. "Oft sehe ich am Ende in sehr frohe Gesichter", bestätigt auch der Tauchaer Pfarrer Wolfgang Ruhnau, der in Delitzsch gemeinsam mit dem Gemeindereferenten Andreas Cerny und dessen Frau Sissy seine Erfahrungen mit dem Bußsakrament mitteilte.

Für Andreas Cerny ist es nur konsequent, das Bußsakrament als gemeinschaftliches Fest der Versöhnung zu feiern. Schließlich habe auch die Sünde immer eine gemeinschaftliche Dimension. Selbst wenn sie im Verborgenen geschehe und niemand dadurch unmittelbar Schaden nehme, bewege sich der Einzelne durch sie aus der Gemeinschaft heraus. So unterschiedlich die Christen auch seien, ihre Sündhaftigkeit verbinde sie. "Das ist das Einzige, wo wir alle im gleichen Boot sitzen", ist der Gemeindereferent überzeugt.

Zu allen anderen Sakramenten versammeln sich Christen, macht er deutlich. Warum sollte ausgerechnet das Bußsakrament eine Ausnahme bilden: "Gott hat uns doch von Anfang an nicht nur als Einzelne, sondern als Volk gerufen." In einer Gemeinde, die nur sonntags zur heiligen Messe zusammenkommt, in der sich die Mitglieder sonst aber kaum kennen, sei diese Form des Bußsakramentes sicher schwieriger umzusetzen, räumt Sissy Cerny ein. Je vertrauter die Gemeinde miteinander sei, umso intensiver könne auch das Erlebnis sein, dass Versöhnung mit Gott und Versöhnung untereinander untrennbar zusammengehören. Die zwölffache Mutter sieht die Bußfeiern als eine von vielen Wegen, Gemeinschaft unter Christen zu stärken. Glaubwürdiges christliches Zeugnis zu geben ist in ihren Augen nur in Gemeinschaft möglich. "Schließlich hat Christus uns gesagt: Ihr seid das Licht der Welt. Er meint nicht einzelne tolle Kerle, sondern uns gemeinsam als Kirche." Auf die Frage, ob ihnen Beichten Freude mache, antworten die Eheleute zögerlich. "Eine gewisse Scheu ist jedesmal zu überwinden", stellt Andreas Cerny klar. Er vergleicht die Beichte mit einem Streit in der Familie: Es kostet Überwindung, auf die anderen zuzugehen und die Sache wieder in Ordnung zu bringen. Freude erwachse dann aus der Versöhnung, in der Beichte aus der Befreiung von innerer Last und aus dem gemeinsamen Bewusstsein der Barmherzigkeit Gottes.

Von Dorothee Wanzek


Hintergrund

Neokatechumenaler Weg


Der Neokatechumenale Weg ist Anfang der 60er Jahre in Spanien als Instrument zur Einführung von Erwachsenen in den christlichen Glauben und die römisch-katholische Kirche enstanden. Im Gegensatz zum Katechumenat, der Vorbereitung auf die Taufe, wendet sich der Neokatechumenat auch an bereits getaufte Christen. Dabei steht nicht die Vermittlung von Glaubenswissen, sondern persönliche Glaubenserfahrung im Mittelpunkt. Dafür werden kleine Gemeinschaften gebildet, wie es sie im Bistum Dresden-Meißen in Taucha und Chemnitz gibt.

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