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Anstoß

Gott lässt sich nicht festlegen

Ostern: Gott zeigt uns, dass Menschen nicht alles möglich ist

Pater Bernhard Kohl

Ein Mitbruder sagte beim Einräumen neuer Bücher in die Bibliothek: "Jedes Buch zum Thema Kirche, in dessen Titel das Wort ‚Krise‘ auftaucht, fliegt sofort auf den Müll. Das ist reines Heischen um Aufmerksamkeit!" So möchte ich auch hier nicht von Krise sprechen. Dennoch muss ich gestehen, dass ich aufgrund der Ereignisse innerhalb der katholischen Kirche in Deutschland die Auferstehung Christi dieses Jahr mit einer gewissen Anspannung feiere. Einen "Meilenstein" bildet für mich immer noch das Memorandum der Theologieprofessoren, dem sich über 10 000 Christen angeschlossen haben. Dem gegenüber steht ein Gegenmemorandum mit knapp 14 000 Unterschriften. Angesichts dieser Zahlen stellt sich für mich die Frage wie diese Entwicklung zu interpretieren ist. Geht da ein Riss durch unsere Kirche? Bin ich hilfreich, helfe ich beim Aufbau des Reiches Gottes, wenn ich mich auf eine Seite schlage, oder ist es besser neutral die Mitte zu wahren, um nicht zu spalten?

Es verläuft also nicht alles in geordneten Bahnen. Die Ereignisse innerhalb der Kirche stellen uns vor Herausforderungen. Um nun doch auf das Wort Krise zurückzukommen: Das chinesische Schriftzeichen für Krise besteht aus zwei Teilen. Der eine Teil symbolisiert "Gefahr". Der andere steht für "Chance". Folglich ist eine Krise eine gefährliche Chance. Das bedeutet aber eben auch, dass in der Krise eine mögliche Chance steckt. Wie kann man also sinnvoll in solchen Chancenzeiten handeln? Der erste Schritt besteht wohl darin miteinander zu sprechen. Dafür muss ich mich wenigsten ein Stück weit öffnen, um auf einen Menschen mit anderen Ansichten zugehen zu können. Ich darf nicht so in meinen eigenen Meinungen und Auffassungen vergraben sein, dass ich mich vollständig verschließe. Etwas ins Wort zu bringen, ist der erste Schritt in Richtung Wandlung und Veränderung zum Positiven. So kann ein Austausch mit anderen Menschen meinen Blick auf Bereiche lenken, die mir bisher noch nicht aufgefallen sind, die ich noch nicht wahrgenommen habe.

Ostern hat mit diesen Erfahrungen etwas zu tun: mit Krise, Verwandlung und Neubeginn. Das Unheil, der Karfreitag beginnt da, wo wir Menschen versuchen, Gott festzulegen, ihn festzunageln. Wenn wir bestimmen wollen, wer Gott näher gekommen ist auf seiner Suche nach ihm und wer in seinem Weg noch am Anfang steht. Gehen wir so auf unserer Suche nach ihm vor, dann versuchen wir sein Grab zu versiegeln und Wachen davorzustellen. Vor Ostern haben wir unser Menschenmögliches versucht, um Gott festzulegen. An Ostern zeigt er uns, Gott sei Dank, dass Menschen nicht alles möglich ist. Christus ist wahrhaft auferstanden!

P. Bernhard Kohl (OP), Leipzig

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