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Ökumenischer Traum: Das Gitter kommt weg!

Ökumenisches Fastenzeitseminar im Bischof-Benno-Haus Schmochtitz macht die Ökumene zum Thema

Schmochtitz. Seit Jahren praktizieren die Christen in der Region um Bautzen Ökumene, zum Beispiel mit dem gemeinsamen Fastenzeitseminar. Die Veranstaltungen stehen jedes Jahr unter einem anderen Thema. Diesmal ging es um die Ökumene.

Machen sich stark für die Ökumene: Die Bischöfe Bohl (Landeskirche Sachsen), Waas (Herrnhuter Brüdergemeine) und Reinelt (Bistum Dresden-Meißen).

Der St.-Petri-Dom in Bautzen ist eine Simultankirche. Das heißt: Er wird von katholischen und evangelischen Christen gemeinsam genutzt. Ein Vertrag von 1543 regelt: Der Chor gehört der katholischen Gemeinde, das Langhaus steht der evangelischen Gemeinde zur Verfügung. Ein Gitter trennt beide Teile. Ursprünglich war es viereinhalb Meter hoch. Seit einer Renovierung in den 1950er Jahren hat es nur noch eine Höhe von einem Meter und verfügt über eine Tür.

Burkard Pilz ist Pfarrer der evangelischen St.-Petri-Gemeinde. Und er hat einen Traum: Bei einem Besuch seiner Pfarrkirche im Jahr 2050 entdeckt er zahlreiche Spuren des gemeinsam gelebten Glaubens der beiden Gemeinde. "Der gemeinsame Schaukasten informiert über die gemeinsame Kinderwoche und die Termine der gemeinsamen Kantorei. Die

Ökumene ist kein Anhängsel, sondern beide Gemeinden tun alles gemeinsam, was nicht getrennt getan werden muss. In der Kirche gibt es nur noch einen Altar und die eucharistische Gastfreundschaft ist selbstverständlich. Und natürlich ist das Gitter, das beide Konfessionen trennt, verschwunden. An seiner Stelle steht der gemeinsame Taufstein." "Ökumene morgen: Miteinander träumen" war der dritte Abend des ökumenischen Fastenzeitseminars im Bischof-Benno-Haus in Schmochtitz überschrieben. Gemeinsam mit den drei Bischöfen Joachim Reinelt (Bistum Dresden-Meißen), Jochen Bohl (Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsen) und Friedrich Waas (Herrnhuter Brüdergemeine) machten sich die Christen aus der Region um Bautzen Gedanken, wie es mit der Ökumene weitergehen kann. Dabei ist das Fastenzeitseminar selbst ein Ausdruck der guten Ökumene in der Region, wird es doch seit mehreren Jahren gemeinsam vom Evangelischen Kirchenbezirk Bautzen, dem Dekanat Bautzen, dem Cyrill-Methodius- Verein, der Herrnhuter Brüdergemeine Kleinwelka und dem Bischof-Benno-Haus veranstaltet.

Die drei Montagabende in diesem Jahr zeichneten ein differenziertes Bild vom Stand der Ökumene. So schrieb Eduard Berger (Dresden, von 1990 bis 2001 Bischof der pommerschen Landeskirche) beiden Kirchen "Selbstbezogenheit und Selbstgenügsamkeit" für die Zeit nach der Deutschen Einheit ins Zeugnis. "Zu DDR-Zeiten war die Ökumene brennender als heute, was nicht unser Verdienst war, vielmehr hat der Staat uns zusammengebracht. Heute hat jede Kirche genug eigene Probleme." Die ökumenischen Möglichkeiten im Alltag würden bei Weitem nicht ausgeschöpft, wobei in den Gemeinden noch mehr geschehen, als auf der Ebene der Kirchenleitungen. Die Suche nach der Ursache für "die schwache Ökumene heute" hat Berger zu einer Frage geführt: "Könnte es sein, dass auch die Christen inzwischen vergessen haben, dass es nicht nur die Zeit, sondern auch die Ewigkeit gibt, in der sie vor Gott Rechenschaft ablegen müssen? Denn wenn die Ewigkeit nicht mehr im Blick ist, machen wir uns in der Zeit breit, als ob sie alles wäre."

Auch der katholische Pfarrer Willi Kraning (Bistum Magdeburg) stellt sich kritische Fragen beim Blick auf die alltägliche Ökumene. "Ökumene ist fast immer Zusatzprogramm. Es gibt Katholiken- und evangelische Kirchentage und zusätzlich den ökumenischen Kirchentag. Es gibt Pfarrgemeinde- und Gemeindekirchenrats- Sitzungen und zusätzlich die gemeinsame Sitzung." Kraning vermisst gemeinsame Taufgedächtnisfeiern, die Gottesdienstpläne der einen im Schaukasten der anderen Konfession oder die Gastseite im Pfarrbrief. Ökumene sei dabei kein Selbstzweck, sondern Weltdienst. "Können wir heute etwa mit Blick auf die Situation in Nordafrika oder Japan gemeinsam beten und ein Zeugnis der Hoffnung geben? Hilft denn beten? Gibt es Hoffnung? Diese Fragen stellen uns die Mitmenschen nicht, weil wir katholisch oder evangelisch sind, sondern weil wir Christen sind."

Dennoch ist für Pfarrer Kraning in den letzten Jahrzehnten auch vieles erreicht worden: "Wenn wir zusammentragen, was ökumenisch passiert, bekommen wir eine Liste der großen Freude." Deshalb lautet sein Appell: "Ökumene muss zum roten Faden werden."

Und die Werkzeuge dafür heißen: "Einander begegnen, gemeinsam beten und gemeinsam Gott und die Menschen lieben."

Wie viel sich in ökumenischer Hinsicht verändert hat, machte der evangelische Theologe Ulrich Kühn (Leipzig) deutlich. Im letzten halben Jahrhundert hätten beide Konfessionen sehr viel Positives voneinander gelernt. Bei den Katholiken gelte das für den Umgang mit der Bibel, für die Bedeutung der Predigt und den Gottesdienst als Gemeinschaftserlebnis. "Auch die Protestanten haben gelernt: So gibt es eine neue Wertschätzung der Sakramente und der Liturgie und einen neuen Umgang mit Maria und den Heiligen." Habe die ökumenische Bewegung Anfang des 20. Jahrhunderts innerhalb des Protestantismus begonnen, sei innerhalb der katholischen Kirche der entscheidende Schritt mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil geschehen. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sei es so zu zahlreichen gemeinsamen theologischen Erklärungen gekommen. Themen waren unter anderem das Herrenmahl, das geistliche Amt und die Rechtfertigungslehre. Kühn: "Dieses Voneinander-Lernen bleibt die gemeinsame Aufgabe." Ziel der Ökumene ist für ihn dabei nicht eine einheitliche Rechtsgestalt der Kirche, sondern eine "Einheit in versöhnter Verschiedenheit".

Dass die Ökumene vor allem wegen der Glaubwürdigkeit der Kirchen mit Blick auf ihren Dienst an der Welt wichtig sei, unterstrichen auch die drei sächsischen Bischöfe. Dabei hoben sie die schon zahlreich praktizierten Gemeinsamkeiten hervor. Die Bischöfe Reinelt und Bohl erinnerten als jüngstes Beispiel an die Urnenprozession durch Dresden Anfang Februar im Zusammenhang mit der Seligsprechung von Alojs Andritzki, bei der Bohl ein Grußwort gesprochen hatte. Auch beim Evangelischen Kirchentag Anfang Juni in der sächsischen Landeshauptstadt werde es zahlreiche Beispiele für das Miteinander der Konfessionen geben. Und der Traum vom niedergerissenen Gitter im Bautzner St. Petri-Dom faszinierte beide: "Herr Landesbischof, ich bin mir sicher: Wir beide sind sofort bereit, dieses Gitter niederreißen, wenn das die beiden Gemeinden wollen", stellte Bischof Reinelt fest.

Von Matthias Holluba

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