Jetzt 4 Wochen kostenfrei Tag des Herrn lesen!

Nicht nur das Kleid anpassen, sondern neue Gehweise lernen

Bischof Wanke über eine Kirche im Wandel, notwendigen Dialog, den Papstbesuch und die Ökumene

Der Erfurter Bischof Joachim Wanke ist der dienstälteste Bischof in Ostdeutschland. Seit Januar 1981 leitet er das heutige Bistum Erfurt. Ein Höhepunkt seiner Amtszeit wird der Papstbesuch im September. Zuvor aber feiert der Bischof seinen 70. Geburtstag - am 4. Mai.

Bischof Joachim Wanke

Missbrauchsdebatte, Kirchenaustritte, Streit um innerkirchliche Reformen ... Herr Bischof Wanke, wird Papst Benedikt XVI. bei seinem Deutschlandbesuch im September auf eine Kirche in der Krise treffen?

Er wird auf eine Kirche im Wandel treffen. Die genannten Stichworte sind Hinweise auf ein tiefer liegendes Auseinanderdriften von heutiger Kultur und christlicher Religion. Es gibt Anzeichen dafür, dass wir uns im Blick auf die Geschichte unserer Kirche in Deutschland in einer Übergangssituation befinden. Der Wandel der Lebensverhältnisse stellt viele Selbstverständlichkeiten in Frage - gerade auch des christlichen Lebens und gewachsener Traditionen. Gewohntes und bislang Tragendes bricht weg, oft in erschreckendem Ausmaß. Es gibt freilich auch eine neue Besinnung auf die Mitte unseres Glaubens. Viele Gläubige werden sich gerade angesichts von Anfeindungen und zunehmender Gleichgültigkeit bewusst, was der Glaube ihnen schenkt. Dafür könnte ich viele Bespiele nennen.

Und die Erfurter Ortskirche soll sich in dieser Situation als "Missionskirche neuen Typs" profilieren. Was ist damit gemeint?

Das Stichwort versteht sich als Vision. Es will deutlich machen, dass es in einer sich wandelnden Zeit eine vertiefte Anstrengung braucht, aus dem überkommenen Glaubenserbe ein neues Angebot für die heutige Generation werden zu lassen. Das Evangelium Christi gibt uns die Gewissheit, nicht mit uns allein zu sein. Auch das kommende Jahrhundert mit allem, was darin auf uns wartet, wird von Gottes Vorsehung gelenkt. Unsere Aufgabe ist es, die Gestalt der Kirche zu prägen, dass sie wirklich ein "Resonanzraum" für diese Botschaft von der Nähe und der Liebe Gottes zu allen Menschen wird. Darum reicht es nicht, das strukturelle "Kleid der Kirche" nur "anzupassen". Es braucht ein "verändertes Gewand" und wohl auch eine "neue Gehweise" für eine Kirche, die lernen muss, in veränderten Verhältnissen und angesichts gewandelter Mentalitäten ihrem Auftrag treu zu bleiben.

Sie haben gesagt, Sie erhoffen sich vom Papst ein Wort des Dankes für die Treue, mit der viele Katholiken zu DDR-Zeiten ihren Glauben gelebt haben, und Sie erhoffen sich ein Wort, das der Kirche vor Ort hilft, in die Zukunft zu gehen. Was können Sie als Bischof und die Christen im Bistum Erfurt im Gegenzug dem Papst mitgeben für seinen Dienst an der Weltkirche?

Die Zusage, dass wir hier in den neuen Bundesländern, gestärkt durch die Erfahrungen mit einem kirchenfeindlichen System, weiter treu zum Glauben der Kirche und ihrer Gemeinschaft stehen wollen. Und die Botschaft, dass nicht Wissenschaft und Technik, sondern das Menschenbild entscheidet, ob unsere Zukunft human bleibt oder nicht. Die Ideologien versprechen das Blaue vom Himmel. Nach dem großen Zusammenbruch überlassen sie dann das Aufräumen den anderen, ganz zu schweigen von den Opfern, die solche Gesellschaftsexperimente kosten.

Im Zusammenhang mit der Dialoginitiative der katholischen Kirche in Deutschland wird immer wieder auf Themen verwiesen, die nicht in Deutschland gelöst werden können, weil sie in den Zusammenhang der Weltkirche gehören. Zölibat oder Frauenpriestertum seien als Beispiel genannt. Werden Sie, werden die deutschen Bischöfe den Papstbesuch nutzen, um mit Benedikt XVI. über diese Fragen zu sprechen?

Gespräch und Austausch über die derzeitige Situation wird es sicher geben. Ich persönlich stehe freilich zur Ehelosigkeit des katholischen Priesters und halte die Bereitschaft, ganz "frei" zu sein für Gott und den Dienst an den Menschen, für eine kostbare Gabe. Ich kann nur junge Menschen bitten, sich vom Schlechtreden der Ehelosigkeit des Priesters und des Rätestandes in der Nachfolge Christi nicht irre machen zu lassen. Zum Frauenpriestertum hat das Lehramt der Kirche das Notwendige gesagt. Ich bin sicher, Maria hat sich im Kreis der Apostel nicht diskriminiert gefühlt. Unterschiedliche Aufgaben in der Kirche wahrzunehmen bedeutet keine Ungleichheit in der Wertschätzung.

Was erhoffen Sie sich von der Dialoginitiative für die Kirche in Deutschland? Steht momentan nicht zu befürchten, dass sich die Gegensätze zwischen denen, die Reformen einfordern, und denen, die die Lösung in der Rückbesinnung auf althergebrachte kirchliche Traditionen sehen, verschärfen?

Das muss nicht zwangsläufig so sein. Ich schätze das Gespräch als letztlich entscheidende Möglichkeit, die innere und äußere Einheit im gemeinsamen Glauben zu bewahren. So war es auch in früheren Zeiten der Kirchengeschichte. Allen großen Konzilien gingen im Vorlauf "Gespräche" voran, manchmal sogar sehr heftige. In einer Situation, die durch Sorgen, Anfragen und Spannungen in unseren Bistümern gekennzeichnet ist, tut die Bischofskonferenz gut daran, zu Gespräch und Austausch einzuladen. Wir sehen die reale Gefahr, dass sich die Gläubigen in unserer Kirche so zerstreiten, dass Brücken abgebrochen werden und bestehende Einheit aufgekündigt wird. Und zudem gilt: Auf Barrikaden lässt sich schlecht miteinander reden. Und in Glaubensfragen entscheidet nicht, wer besser "schießen" kann. Wir müssen, um ein uns vertrautes Bild aufzugreifen, gemeinsam in "Exerzitien" gehen, von den Bischöfen angefangen bis hin zu denen, die im Begriff sind, aus Ärger oder Enttäuschung der Kirche den Rücken zu kehren.

Der Papst wird sich bei seinem Besuch im Bistum Erfurt viel Zeit zur Begegnung mit Vertretern der evangelischen Kirche nehmen. Erhoffen Sie sich davon einen neuen Aufschwung für die momentan eher auf der Stelle tretende Ökumene?

Ja, das erhoffe ich mir. Die Initiative des Papstes, das Gespräch im Augustinerkloster zu führen, also einer Lutherstätte, hat positiv überrascht. Ich würde mir wünschen, dass diese Begegnung ein Startsignal dafür ist, das Kirchenthema und speziell das Thema des Amtes in der Kirche auf die ökumenische Aufgabenliste zu setzen. Zudem ist es erfreulich, dass neben dem Gespräch auch dem gemeinsamen Gebet Raum gegeben wird. Ich bin sicher: Die Bilder dieser Begegnung werden um die Welt gehen.

Sie sind in diesem Jahr 30 Jahre Bischof in Erfurt. Wenn Sie jetzt einen Blick in die Zukunft werfen: Welchen Traum haben Sie von Ihrer Ortskirche im Jahr 2050?

Ich erhoffe mir eine Kirche in Thüringen, die aus dem Glaubenserbe ein neues Angebot für die dann lebende Generation machen wird. Dazu wird sie echtes geistliches Profil benötigen, geduldige Gesprächsbereitschaft und Menschenfreundlichkeit - alles Kennzeichen einer "Missionskirche" unter neuzeitlichen Bedingungen. Und ich sehe schon heute junge und ältere Menschen in unseren Gemeinden und Gemeinschaften, die das können.

Fragen: Matthias Holluba

Aktuelle Empfehlung

Der TAG DES HERRN als E-Paper - Jetzt entdecken!

Aktuelle Buchtipps