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Spuren der Wirklichkeit Gottes

Der Magdeburger Altbischof Leo Nowak über existentielle Zugänge zum Geheimnis des Lebens

Magdeburg. Angesichts der gegenwärtigen Kirchen- und Gotteskrise gilt es, im Gespräch mit allen Menschen guten Willens die Frage nach Gott wachzuhalten. Zugänge dafür bieten existentielle Erfahrungen, die jeder machen kann, ist der Magdeburger Altbischof Leo Nowak überzeugt.

Bischof emeritus Leo Nowak "Der tiefste Grund für die gegenwärtige Kirchenkrise ist die Gotteskrise. Es geht um eine Krise unserer Rede von Gott. Es geht darum, ob Gott existiert und ob wir ihn finden können oder besser: ob er uns findet und ob es Wege zu ihm gibt (Erzbischof Reinhard Marx). Das Christentum braucht nicht nur eine Kirchen-, sondern auch eine Glaubensreform." - Für den Magdeburger Bischof emeritus Leo Nowak ist eine an der Realität orientierte Analyse der Situation der Kirche hier und heute selbstverständlich. Er will dazu ermutigen, sich dieser Situation zu stellen, aber auch ihre Chancen zu begreifen. Und er will dazu Hilfe anbieten. Nowak: "Könnte es sein, dass Gott uns in dieser so schwierigen Situation an das heranführen will, was eigentlich trägt?"

Bei seinem Vortrag im Rahmen der Ringvorlesung 2011 "Ich und Du - der Mensch und Gott" in Magdeburg und Halle möchte er Wege aufzeigen, wie sich über existentielle Erfahrungen auch für Nichtchristen "ungeahnte Zugänge zum Geheimnis aller Wirklichkeit" eröffnen können. Dabei ist er sich mit dem Theologen Karl Rahner bewusst, dass Gott "Geheimnis und eine vorhandene Wirklichkeit ist, die nicht erklärt werden kann".

Im Leben eines jeden Menschen ist alles relativ, schlägt Nowak eine erste Schneise: Alles steht im Verhältnis zu etwas. Alles kann immer noch besser sein. Nichts ist perfekt und von Dauer, keine Sache, keine Gesellschaftsform, kein Mensch. Der Schriftsteller Paul Claudel (1868-1955) lässt in seinem Werk "Der seidene Schuh" eine Frau sagen: "Ich bin das Versprechen, das nicht gehalten werden kann." Selbst Jesus betont: "Niemand ist gut außer Gott, dem Einen." "Was aber bedeutet diese allgegenwärtige Diskrepanz zwischen dem, was wir anstreben und ersehnen und der Realität?" Nowak: "Entweder gilt: Das ist halt so. Da kannst du nichts machen. Oder aber: Unsere ungestillte Sehnsucht ist ein Zeichen dafür, dass es die Erfüllung gibt."

In einem zweiten Schritt erinnert der Referent daran, dass jeder Mensch in verdankter Existenz lebt. "Jedem ist das Leben geschenkt. Zuneigung und Liebe, Vertrauen und Geborgenheit können wir uns nicht machen. Der Mensch kann nur forschen und produzieren, weil er das Nötige dafür vorfindet." Nowak: "Der Mensch sollte also immer wieder Danke sagen. Das aber setzt voraus, dass es jemanden gibt, dem er danken kann."

"Jeder sehnt sich nach Heimat", entfaltet der Referent einen weiteren Gedanken. "Den Menschen drängt es hinaus in die Welt. Ist er aber unterwegs, wünscht er sich, wieder Zuhause zu sein. Was aber bedeutet dieses immer neue Sehnen nach Heimat", fragt der Referent. "Kennt der Mensch doch ein Ziel, dass er nur nicht beschreiben kann? Gibt es in uns eine uralte Erinnerung daran, wo wir herkommen?" Augustinus (†430) formulierte: "Ruhelos ist unser Herz, bis es ruht in dir, o Gott."

"Die Hoffnung stirbt zuletzt", heißt es in einem geflügelten Wort. "Vielleicht stirbt die Hoffnung letztlich überhaupt nicht", fragt Nowak und kommt damit auf das Prinzip Hoffnung zu sprechen, das dem Menschen offenbar innewohnt. "Was aber ist, wenn wir als Menschen angesichts von ungerechtem Leid mit der Hoffnung doch am Ende zu sein scheinen? Ist es gerecht, dass so viele Menschen keine Gerechtigkeit erfahren, dass so viele immer auf der Schattenseite leben", so Leo Nowak. "Was ist mit denen, die an Hunger sterben oder die durch Naturkatastrophen umkommen? Das kann doch nicht alles sein! Ist die Sinnlosigkeit das entscheidende Prinzip?"

Im Alten Testament widerfährt Jiob, der gerecht und fromm lebt, großes Leid. Dennoch hält er an Gott fest. Wer aber aus dem Buch Jiob erfahren will, warum ein Gerechter so viel leiden muss, ist "am Ende genauso schlau wie am Anfang". "Und auch Jesus kommt mit dem ungerechten Leid nicht zurecht und schreit am Kreuz: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?", so Nowak.

Menschen, die in den KZ’s und Gulag’s waren, sagen: Die Hoffnung bewahrte mich vor dem Wahnsinn. "Gibt es einen Grund für eine solche Hoffnung?" Altbischof Nowak: "Die Bibel gibt uns letztlich keine Antwort, die uns rational weiterführt. Aber sie will dazu ermutigen, sich auf die Hoffnung auf Gott einzulassen. Sie führt an die Wirklichkeit Gottes heran, ohne diese packen und erklären zu können. An den Gott Jesu Christi zu glauben heißt, der Person Jesu zu folgen" und wie er unumstößlich auf Gott zu hoffen und zu vertrauen.

Für Nowak sind all dies Gedanken, die sich auch ein Nichtchrist mit seinen existentiellen Erfahrungen machen kann. Mindestens Christen jedoch sollten stets fragende und suchende Menschen sein und die Frage nach Gott wachhalten. "Die Frage nach Gott darf nicht verstummen", ist der Altbischof überzeugt. "Denn ohne diese Frage kann der Mensch nicht wirklich Mensch sein."

Von Eckhard Pohl

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