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Von Gott beim Wort genommen

Die Äbtissin von St. Marienstern feiert goldenes Professjubiläum

Panschwitz-Kuckau. Am 27. April vor 50 Jahren hat die Äbtissin des Zisterzienserinnenklosters St. Marienstern, Schwester Benedicta Waurick, ihre Profess abgelegt. Seit 25 Jahren liegt die Verantwortung für die nunmehr 763 Jahre alte Abtei auf ihren Schultern.

Schwester Benedicta Waurick Ganz anders hatte sich die älteste Tochter einer sorbischen Bauernfamilie aus Neu-Jeßnitz ihr Leben vorgestellt. Der Jugendtraum von Gertrud Waurick - so hieß Schwester Benedicta vor ihrem Ordenseintritt - war eine Familie mit vier Kindern. Aber sie war bereit, ihre Pläne durchkreuzen zu lassen. "Dein Wille geschehe" lautet das Bibelwort, unter das sie ihre Amtszeit als 42. Äbtissin des Klosters St. Marienstern gestellt hat. Seither wird sie den Eindruck nicht los, dass Gott sie beim Wort nimmt.

"Bauen werde ich nichts", hatte sie ihren Mitschwestern beispielsweise nach ihrer Wahl zu verstehen gegeben. Und die hatten sie sogleich gewarnt: "Da werden Sie aber sicher nicht drum herumkommen!" Bis heute ist kaum eine Woche vergangen, an dem nicht irgendwo in der denkmalgeschützten Klosteranlage Bauarbeiter zugange waren. Über die Entscheidung, bald nach ihrem Amtseintritt einen Bauleiter einzustellen, ist die Äbtissin heilfroh - trotz anfänglicher Bedenken, ob sich das Kloster diese zusätzliche Stelle überhaupt leisten könne.

Die Rolle der Bauherrin war der Landwirtstochter, die als junge Schwester noch eine Ausbildung in der Krankenpfl ege machte, nicht in die Wiege gelegt. Auch die Verantwortung für die klostereigene Land- und Forstwirtschaft und für die Behinderteneinrichtungen in klösterlicher Trägerschaft stellte sie vor manche Herausforderung, die ihr einige Nummern zu groß vorkam. Äbtissin Benedicta ist überzeugt: "Ohne Gottes Hilfe und die Unterstützung guter Mitschwestern hätte ich all das nicht bewältigen können".

Schlaflose Nächte hatte sie besonders in der Wendezeit: Für achtzig Behinderte, die die Schwestern bis dahin nur betreut hatten, galt es plötzlich Schulbildung und Arbeitsplätze zu organisieren. Wagemutig gründeten die Schwestern eine eigene Behindertenwerkstatt und eine Schule - und erfuhren erst bei laufendem Schulbetrieb, dass bis zur staatlichen Anerkennung mit keinerlei fi nanzieller Unterstützung zu rechnen war. Um die Löhne weiterzahlen zu können, musste das Kloster erstmals in seiner Geschichte einen Kredit aufnehmen. Hinzu kam, dass die Land- und Forstwirtschaft, die zu DDR-Zeiten unter den Fittichen des Bischofs gestanden hatte, in klösterliche Regie zurückkehrte. Auch hier fehlte es den Zisterzienserinnen an kompetenten Beratern, die ihnen hätten sagen können, worauf es unter den veränderten gesellschaftlichen Bedingungen ankam. Benedicta Waurick sah ihr Kloster vor dem Bankrott.

Am 3. August 1991 wurde das Kloster auch noch von einem schweren Hochwasser heimgesucht. Im Nachhinein erwies sich die Naturkatastrophe als Segen. Auf St. Marienstern richtete sich dadurch Aufmerksamkeit, die nicht nur Spenden aus ganz Deutschland nach sich zog, sondern auch fachkundigen Rat für die wirtschaftliche Zukunft. Die Äbtissin erinnert sich noch gut, wie ihr damals jemand Mut zu machen versuchte: "Ihr habt 40 Jahre DDR überstanden. Das wäre ja wohl gelacht, wenn ihr diese Herausforderung jetzt nicht auch meistern könntet." Zu den Projekten, die in dieser Zeit auf dem Klostergelände entstanden, gehört der vom Christlich- Sozialen Bildungswerk betriebene Umweltgarten. Folgenreich war auch die Entscheidung, das Kloster im 750. Jahr seines Bestehens fürceine sächsische Landesausstellung zu öffnen. "Wie haben wir das bloß geschafft?", fragt sich die Äbtissin, wenn sie an das Jahr 1998 zurückdenkt. 128 Tage lang war damals das Kloster mitsamt dem Kreuzgang und weiteren Teilen der Klausur für Besucher geöffnet, die sich für die Klosterschätze, aber durchaus auch für klösterliches Leben und für christliche Spiritualität interessierten. In dieser Zeit waren die Schwestern räumlich erheblich eingeschränkt. Unter anderem mussten sie große Umwege in Kauf nehmen, weil sie keinen ihrer gewohnten Durchgänge mehr nutzen konnten.

Geblieben ist die Schatzkammer, in der ein Teil der Ausstellungsstücke einen dauerhaften Platz fand. Geblieben sind aber auch viele Kontakte und ein Nachhall, der die Ordensfrauen mehr als zwölf Jahre danach immer wieder überrascht. Sogar in Österreich traf die Äbtissin kürzlich auf Menschen, denen das Kloster Marienstern ein Begriff war: "Das ist doch das Kloster, in dem die Landesauss tellung war!?" "Wir sind mit dafür verantwortlich, dass Menschen in der Region mit dem christlichen Glauben in Berührung kommen", ist den Schwestern durch die öffentlichkeitswirksame Veranstaltung in neuer Weise bewusst geworden. Das jährlich stattfi ndende Klosterfest ist seither ein Anlass, zu dem sich in großer Zahl auch ungetaufte Gäste auf dem Klostergelände einfi nden. Sie erleben dort nicht nur einen Natur- und Handwerkermarkt und zahlreiche kulturelle Darbietungen, sondern sind auch zu geistlichen Impulsen und einem ökumenischen Gottesdienst eingeladen. Der nach der Landesausstellung gegründete Freundeskreis mit seinen nunmehr 125 Mitgliedern unterstützt die Zisterzienserinnen besonders in den Aktivitäten, die auf die Öffentlichkeit ausgerichtet sind. Eine hohe Außenwirkung haben auch die Veranstaltungen, die das Christlich-Soziale Bildungswerk auf dem Klostergelände anbietet. Wenn es darum geht, ein Seminar zu eröffnen oder ein Grußwort bei einer Ausstellungseröffnung zu sprechen, ist die Äbtissin häufi ger gefragt als es ihr ihre übrigen Verpfl ichtungen im Kloster erlauben.

Dass auch einige jüngere Schwestern zum Konvent gehören, sieht die Äbtissin weniger als Folge der Jugendvespern und anderer Angebote, die das Kloster in jüngerer Zeit gezielt für junge Menschen macht, sondern als Frucht des Gebets um Berufungen. Zu Beginn jeden Monats beten die Zisterzienserinnen seit 18 Jahren eine dreizehntägige Novene in diesem Anliegen. Nur die wenigsten Schwestern stammen aus der näheren Umgebung des Klosters. Das war schon in früheren Jahrhunderten so, weiß die Äbtissin aus der Klostergeschichte. Sie selbst gehört als eine der drei sorbischen Schwestern zu den Ausnahmen. Warum es sie ausgerechnet in dieses Kloster gezogen hat und nicht anderswohin, zum Beispiel nach Marienthal, wo schon eine ihrer Cousinen eingetreten war, kann sie selbst nicht erklären. Ihre Wahl zur Äbtissin weckte bei manchen Sorben vor 25 Jahren die Erwartung, dass Sorbisch fortan die Umgangssprache in St. Marienstern werden würde. Benedicta Waurick wollte diese Hoffnung nicht erfüllen. "Wir sind kein sorbisches Kloster, aber auch kein deutsches, sondern ein katholisches, ein Kloster für alle", machte sie in ihrer liebenswürdigen, aber doch entschlossenen Art deutlich. Ihre freundliche Beharrlichkeit war auch in einer Kommission ihres Ordens gefragt, die sich für die Gleichberechtigung der Äbtissinnen mit den Äbten einsetzte. Als Vertreterin Ostdeutschlands gehörte sie einige Jahre dieser Kommission an, die im Jahr 2000 wesentliche Ziele erreicht hat. In jenem Jahr hatten erstmals auch die Äbtissinnen Wahlrecht bei der Wahl des Generalabtes für den gesamten Zisterzienserorden. Auch die Entscheidungsbefugnisse im eigenen Kloster erweiterten sich für die Äbtissinnen. Beispielsweise muss eine Zisterzienseräbtissin nun nicht mehr die Erlaubnis des Klosterpropstes einholen, wenn für eine ihrer Schwestern eine Krankenhausbehandlung ansteht.

"Wenn es um ihr Kloster geht, hat sich Mutter Äbtissin in all den Jahren nie geschont", sagen ihre Mitschwestern. Manche Schriftstücke, die Äbtissin Benedicta in letzter Zeit angefertigt hat, enden mit einem langen Strich - immer dann, wenn sie zu später Stunde über ihrer Arbeit eingeschlafen war. Sie mag kein großes Aufhebens um ihre Person, aber insgeheim hofft sie, ihr Amt möglichst bald in jüngere Hände legen zu können. Doch zunächst steht die goldene Profess ins Haus. Am Samstag nach dem Jubiläumstag wird gefeiert. "Bloß nicht so viel Wirtschaft machen!", hat sie ihre Schwestern gebeten. Keine Frage, dass sie sich selbst an die Abmachung des Konvents hält, zu Professjubiläen nicht mehr als 25 Gäste einzuladen: "Als Äbtissin muss ich doch Vorbild sein!"

Von Dorothee Wanzek

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