Erinnerung an einen Freund
Im Gedenken an seligen Johannes Paul II.: Zomack sprach über Wahlspruch "Totus tuus"
Görlitz. In der Kathedrale St. Jakobus in Görlitz gedachten in der ersten Maiandacht des Jahres deutsche und polnische Gläubige des neuen Seligen, Papstes Johannes Paul II.
"In der Kirche Heilig Kreuz gibt es eine Kapelle mit dem Gnadenbild der ,Schwarzen Madonna‘ von Tschenstochau‘", erinnerte Diözesanadministrator Hubertus Zomack in der St.-Jakobus-Kathedrale Görlitz am Abend des ersten Mai. Für Karol Wojtyla war diese Ikone im polnischen Nationalheiligtum von besonderer Bedeutung. Johannes Paul II. war ein großer Marienverehrer. Am Tag seiner Seligsprechung gedachten mehrere hundert deutsche und polnische Gläubige in der ersten Maiandacht in der Kathedrale in Görlitz des neuen Seligen. Nach den drei Strophen des polnischen Liedes von der Schwarzen Madonna (Czarna Madonna) stimmt der Domchor das Ave Maria (von Arcadelt) und andere lateinische Gesänge an. Lateinisch, die Sprache der katholischen Kirche, die Polen und Deutsche eint.
"Papst Johannes Paul II. hat die Gottesmutter sehr verehrt. Dies drückt auch sein Wahlspruch ,Totus tuus‘ aus", so der Diözesanadministrator in seiner Predigt. "Maria hatte sich in die Hand Gottes begeben. Ihr ganzes Leben ist Maria totus tuus, ganz Gottes. Sie wurde Mutter des Glaubens und Mutter der Kirche. Das totus tuus war für Johannes Paul Programm, das er uns hinterlassen hat."
Die Gebete und einige Lieder werden im Wechsel in deutscher und polnischer Sprache gesprochen und gesungen. Der Dekan und Pfarrer von St. Bonifatius in Zgorzelec, Kanonikus Maciej Wesolowski las das Evangelium in der Muttersprache des seligen Papstes.
Nach dem Gottesdienst kamen die Gläubigen vor der Kathedrale ins Gespräch über diesen Mann, der zu den Menschen in Görlitz und Zgorzelec eine besondere Beziehung hatte, einige von ihnen persönlich kannte.
Die Vorsitzende des Diözesanrates, Dr. Evamaria Nowy erinnerte sich an den Tag der Papstwahl. Sie saß als junge Ärztin gerade in der Mittagsbesprechung, als ihr damaliger Chefarzt, der evangelisch war, in den Raum gestürmt kam mit der Bemerkung: "Ein Pole ist Papst. Das ist gut für den Osten." Er rieb sich dabei die Hände. "Das erste Mal begegnete ich dem Papst persönlich, als bei der Behindertenwallfahrt nach Rom, die ich als betreuende Ärztin mitmachte, er direkt zu uns kam. Es hat mich beeindruckt, wie er auf die Kranken zuging, sie berührte und sich davon von niemandem abhalten ließ."
Altbischof Rudolf Müller entsinnt sich an viele Besuche in Rom. "Ich musste dabei keine Karte ausbreiten und ihm zeigen, wo unsere Diözese liegt. Der Papst war bestens informiert. Er sagte mir immer wieder: ,Bischof Huhn ist mein Freund‘. Und auf das Bistum bezogen: ,Macht weiter so!‘ Damit meinte er auch die grenzüberschreitenden Fronleichnamprozessionen mit den Gläubigen der Nachbarstadt." Bevor die neue Altstadtbrücke eingeweiht wurde, erhielt Bischof Müller einen Anruf von einer Frau, die aus Westdeutschland nach Görlitz gezogen war. "Sie sagte mir, dass sie zwar evangelisch sei, aber ich doch Beziehungen zum Papst hätte und ihn fragen soll, ob er zur Einweihung kommt. Das habe ich den Papst über den Nuntius wissen lassen. Nach 14 Tagen kam aus Rom ein Brief. Der war aber nicht an mich gerichtet, sondern an die Bürger der Städte Görlitz und Zgorzelec." Darin verwies Kardinal Angelo Sodano, der Staatssekretär des heiligen Vaters, dass dieser als Pontifex Maximus, als größter Brückenbauer, den Prozess für Frieden und Versöhnung zwischen Polen und Deutschen mit seinem Segen begleitet. In diesem Schreiben wurde die Altstadtbrücke als ein "monumentales Symbol der Völkerverständigung" bezeichnet.
Dr. Peter Frey ist Chefredakteur des Zweiten Deutschen Fernsehens. Er erinnert sich während eines Treffens mit Görlitzern unlängst an Papst Johannes Paul ll. "Ich habe ihn einmal aus der Nähe erlebt, als ganz junger Reporter. Damals arbeitete ich noch beim Radio. Es war 1980, beim Papstbesuch in Mainz. Ich war mit einem erfahrenen Kollegen für eine Live-Reportage zum sogenannten Bischofshaus abkommandiert worden. Dort sollte der Papst übernachten. Wir waren mit einem kleinen Übertragungswagen unterwegs - vor 30 Jahren war das noch eine große Sache. Der ältere Kollege verstand wenig von Kirchenthemen, ich war ihm wohl als eine Art "geistlicher Beistand" an die Seite gestellt worden. Jedenfalls fuhr fast zur festgelegten Zeit das Papamobil vor dem Bischofspalais vor, es war schon dunkel - und zu unserer Überraschung hielt das von innen hell erleuchtete Auto direkt vor uns. Die Autoscheibe wurde heruntergekurbelt und der Kollege konnte dem Papst sein Live-Mikrofon direkt unter die Nase halten. Vor lauter Schreck hatte er aber seine Frage vergessen und so kam die simpelste aller denkbaren Formulierungen aus dem Reporter- Mund heraus: "Papst, wie geht’s?" Nun, Johannes Paul, der ja gut Deutsch verstand, nahm die Frage ganz wörtlich und brummte mit seiner tiefen, gutturalen Stimme nur zwei Worte als Antwort: "Gut, gut …" Dann drehte er sich auf die andere Seite, stieg aus dem Papamobil und ging hinüber zum Bischofshaus. Die Menschen, die sich zu seiner Begrüßung versammelt hatten, klatschten und wir Reporter standen doch ein bisschen benommen vor unserem Übertragungswagen, denn eines ahnten wir schon: die Gelegenheit zu so einem Interview kommt sicher nur einmal im Leben."
Von Raphael Schmidt