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Einst Kampfplatz, heute Biotop

Christlicher Widerstand an den Hochschulen der DDR und die Rolle der Studentengemeinden heute

Leipzig. Im Rahmen der dritten Belter-Dialoge der Konrad- Adenauer-Stiftung sprachen Vertreter der Kirchen über christlichen Widerstand an den Hochschulen der DDR. Zudem diskutierten sie mit Studenten über die heutige Rolle der Studentengemeinden.

Der evangelische Pfarrer i.R. Nikolaus Krause aus Dresden und der Altrektor der Universität Leipzig, Franz Häuser (r.) im Gespräch über den Wiederaufbau der Paulinerkirche. Im Hintergrund der ehemalige katholische Studentenpfarrer Clemens Rosner.

"Studentengemeinden waren lange Zeit ein wichtiger Ort der evangelischen und katholischen Kirche", blickt Christoph Kähler auf schwierige Jahrzehnte in der DDR zurück. "Sie haben wichtige theologische und politische Probleme behandelt, die Studentenpfarrer waren führende Leute der Kirche und hier haben wir Gesprächsleitung gelernt", fasst der ehemalige Landesbischof von Thüringen seine Erfahrungen zusammen. Lächelnd fügt er hinzu: "Es war auch ein Übungsplatz der Ökumene. Das könnte ich an meiner eigenen Familie beschreiben."

Vor etwa 70 Zuhörern beschrieb er im alten Senatssaal der Universität Leipzig, wie Christen an den Hochschulen der DDR behindert, eingeschüchtert oder sogar eingesperrt wurden. "Kampf um die Köpfe ist treffend formuliert", meinte Christoph Kähler zum Titel seines Vortrages und belegte dies mit Beispielen aus Jena, Halle und Leipzig. Aus seiner eigenen Studienzeit in Jena in den 60er Jahren erzählte der Theologe von einer legendären Diskussion über "Weltall, Erde, Gott". Im Streitgespräch zwischen dem Jenaer Studentenpfarrer Klaus-Peter Hertzsch und Olof Klohr, Professor für wissenschaftlichen Atheismus, sei es dem Wissenschaftler nicht gelungen, die Existenz von Engeln glaubhaft infrage zu stellen. Klohr habe sich lächerlich gemacht, während Hertzsch "im Kampf um die Köpfe gewonnen hatte. Die Teilnehmerzahl in der Studentengemeinde stieg deshalb aber nicht." Eine deutliche Auswirkung habe es trotzdem gegeben, denn Klohrs Lehrstuhl in Jena wurde wenig später abgeschafft. So ein Sieg im Kampf von David gegen Goliath sei selten gewesen, nutzte Kähler den biblischen Vergleich. Beim Aufeinandertreffen "systematischer Aggressivität" von staatlicher und vorsichtiger Zurückhaltung von kirchlicher Seite habe das Ergebnis meist anders ausgesehen. Aus den 50er Jahren nannte er den Studentenpfarrer Johannes Hamel in Halle, der monatelang in Haft saß. Für ihn war ein Schauprozess vorbereitet worden, der nur durch äußere Umstände platzte. Dieses Glück hatte der Leipziger Studentenpfarrer Georg Siegfried Schmutzler nicht. Er wurde 1957 wegen "Boykotthetze" zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt. "Das fiel in die Zeit der größten Kirchenaustritte und der aggressiven Propagierung der Jugendweihe", ordnete der ehemalige Bischof die Ereignisse ein und wies auf Größenveränderungen hin: "Bei Studentenpfarrer Johannes Hempel in Leipzig sind in den 60er Jahren rund 300 Leute zum Bibelabend erschienen", so Christoph Kähler. Er selbst habe in den 80er Jahren immerhin noch vor rund 100 Studenten referiert, in den 90er Jahren dann "in gemütlicher Wohnzimmeratmosphäre vor 20 bis 30 Leuten".

In diesem Rahmen bewegen sich auch die heutigen Studentengemeinden in Leipzig. "Ich finde es schwer, sein Christsein zu leben in einer Gesellschaft, die alles verschlingen kann", versuchte der evangelische Studentenpfarrer Frank Martin die Situation zu erklären. Der staatliche Druck sei zwar nicht mehr da, dafür aber ein anderer: die Multioptionsgesellschaft. Es gebe so viele Möglichkeiten. "Ein Schutzraum ist die Studentengemeinde aber immer noch", sagte Martin. "Es ist Anlaufstelle für christliche Studenten, wo sie freundlich empfangen werden, ein Ort, wo Ideen reifen können und man zweckfrei miteinander umgeht."

Biotop, aber auch Sauerteig soll die Studentengemeinde sein, meint der katholische Studentenpfarrer Pater Clemens Blattert: "Die Studenten sollen sich zuerst selbst von Gottes Wort säuern lassen und dann in der Gesellschaft wirken." Wo die Studentengemeinde oder der einzelne christliche Student heute noch Widerstand leiste, sei schwierig zu sagen, meinte Christoph Schröder in Bezug auf den Titel der Veranstaltung. "Wir haben keinen klaren Feind mehr", so der evangelische Vertrauensstudent. Doch Wertediskussionen, zum Beispiel in der Studentengemeinde, helfen, sich gegen manchen Trend zu wehren. Und auch heute noch mische sich die Studentengemeinde in gesellschaftliche Diskussionen ein, hob Frank Martin das Beispiel des Wiederaufbaus der Leipziger Paulinerkirche hervor.

Von Uwe Naumann

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