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Älteste niedersorbische Notiz

Sensationeller Fund: Handschrift auf dem Pfarrdachboden von Jauernick aus dem Jahr 1510 entdeckt

Leipzig. Die Mitarbeiter des Handschriftenzentrums der Unversitätsbibliothek Leipzig sind sich sicher: Die Randnotiz, die sie in einer Handschrift aus dem Jahr 1510 aus der Pfarrbibliothek in Jauernick entdeckten, ist der älteste bisher bekanntgewordene Beleg des Niedersorbischen.

In diesem alten Buch fand der Mitarbeiter im Handschriftenzentrum Leipzig Matthias Eifler die niedersorbische Randnotiz. Der rote Eintrag zeigt das Jahr 1510.

Prälat Peter Canisius Birkner war von 1996 an Pfarrer von Jauernick. Dort hatte er für alles Inventar zu sorgen. Auf dem Dachboden entdeckte er viele alte verschmutzte Bücher. "Es war klar, hier muss gehandelt werden", erinnert sich Prälat Peter Canisius Birkner an die Zeit, in der die jetzige Entdeckung des vermutlich ältesten niedersorbischen Sprachbelegs ihren Anfang nahm. "Der Dreck kam von der Kohlegrube aus Berzdorf. Die Bücher mussten dort weg." Und so hat er für die Reinigung der Bücher gesorgt und angefangen, diese in das Bistumsarchiv zu überführen. Einige wertvolle Bücher gab er zu Restaurierungsarbeiten in die Benediktinerinnenabtei St. Hildegard nach Eibingen bei Bingen.

Eingeladen, unseren Buchbestand anzusehen

Dr. Christoph Mackert (links) und Matthias Eifler mit dem Buch von 1510 im Handschriftenzentrum.

2006 hielt Dr. Christoph Mackert, der Leiter des Handschriftenzentrums der Universitätsbibliothek Leipzig, im Kloster St. Marienthal einen Vortrag über mittelalterliche Handschriften. Prälat Birkner hat danach Dr. Mackert eingeladen, sich in Jauernick den Buchbestand anzusehen. "Als er ihn sah, kam er aus dem Staunen nicht mehr heraus." Für ihn war es eine Freude zu sehen, wie eine mittelalterliche Pfarrbibliothek vor Ort erhalten geblieben ist." Dr. Mackert bat darum, die mittelalterlichen Handschriften aus Jauernick für ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördertes Erschließungsprojekt zu Kleinsammlungen in Sachsen und dem Leipziger Umland im Handschriftenzentrum der Leipziger Universitätsbibliothek untersuchen zu können. Ziel dieses Projektes ist es, Inhalt, Herkunft und Besonderheiten der bislang unbekannten Handschriften zu erforschen. So kam auch das Buch aus dem 16. Jahrhundert vorübergehend nach Leipzig. Ein Schreibereintrag belegt, dass es aus dem ehemaligen Dominikanerkloster in Luckau stammt, wo spätestens seit dem 15. Jahrhundert ein Ordensstudium bestand. Der genaue Weg des Buches von dort bis in die Bibliothek von Jauernick ist noch nicht aufgeklärt.

In antiker Komödie niedersorbische Randnotiz

In dieser Handschrift, in welcher die Jahreszahl 1510 und die Ortsangabe "Luckow" eingetragen sind, nimmt die ersten 200 der 280 Seiten ein Psalmterium mit Kommentar ein. Dem schließen sich mehrere kurze Texte an, unter anderem Ovids "Remedia amoris", eine Trostschrift für unglücklich Liebende sowie die Komödie "Andria" (Das Mädchen von Andros) des Terenz, beides Texte, die die Studenten zum Erlernen der lateinischen Sprache studierten. Hinzu kommt ein Gedicht über die Passion des Herrn ("Carmen de die Dominicae Passionis") des italienischen Humanisten Philippus Beroaldus ( † 1505).

Bei den Forschungen entdeckte Matthias Eifler vom Handschriftenzentrum "verschiedene Randzeichnungen und deutsche Sprichwörter, die von Lehrern oder Schülern stammen könnten". Darunter befand sich eine slawische Randnotiz zu einem Vers der "lateinischen Komödie "Andria". Nach dieser Entdeckung zogen die Mitarbeiter des Handschriftenzentrums Professor Dr. Eduard Werner vom Leipziger Institut für Sorabistik (sorbische Sprachen) für die Zuordnung und Auflösung des gefundenen Satzes hinzu. Dieser ist auf niedersorbisch geschrieben und lautet: "Ach moyo luba lupka / biß weßola thy sy / my luba." Übersetzt ins Deutsche lautet er: "Ach meine liebe Liebste, sei fröhlich, du bist mir lieb." Der Satz hat keinen unmittelbaren Textbezug, er ist eher als ein Kommentar anzusehen. Als Sensation darf jedoch gelten, dass mit dieser Randnotiz der wohl älteste bislang bekannte niedersorbische Sprachbeleg entdeckt wurde.

Die Komödie wurde 1510 in Luckau von einem Dominikanermönch abgeschrieben, der seinen Namen nicht nannte. Der niedersorbische Eintrag, der von einer anderen Hand stammt, wurde zeitnah hinzugefügt, ist also um 1510 oder wenig später notiert worden.

Weiteren Jauernicker Geheimnissen auf der Spur

Gemeinsam versuchen die Forscher nun, diesen und weiteren Geheimnissen, die in den alten Büchern aus Jauernick verborgen sind, auf die Spur zu kommen. Dr. Mackert ist "dankbar dafür, dass die katholische Kirche so bereitwillig die Handschriften für Forschungszwecke zur Verfügung gestellt hat". Auch Prälat Birkner ist froh darüber, dass seine Arbeit in Jauernick, der Erhalt und die Sicherung des Buchbestandes, "die viel Zeit in Anspruch nahm", auf diese Weise fortgeführt wird. "Das Wissen, das in diesen Büchern steht, vor allem Gottes Wort, soll und muss an die nächsten Generationen weitergegeben werden".

Von Raphael Schmidt

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