Jetzt 4 Wochen kostenfrei Tag des Herrn lesen!

Kein Thema für Pfarrgemeinden

Tagung der Ackermann-Gemeinde: Europa auf gutem Weg / Christen zu sehr mit sich beschäftigt

Schmochtitz. Wie steht es um das gemeinsame Europa? Mit dieser Frage beschäftigten sich die Teilnehmer des Informations- und Begegnungswochenendes der Ackermann- Gemeinde im Schmochtitz. Ihr besonderer Blick galt dabei den beiden Nachbarländern Deutschland und Tschechien.

Die katholischen Christen und Pfarrgemeinden sollten sich wieder mehr für Europa interessieren und engagieren. "Nach der Euphorie der 1990er Jahre in der Begegnung zwischen Ost- und Westeuropa nehme ich heute eher Abschottung und einem nach innen gerichteten Blick in den Kirchengemeinden wahr", kritisierte

Adolf Ullmann. "Wir sind in den letzten Jahren durch die Beschäftigung mit unseren innerkirchlichen Fragen introvertiert geworden. Und auch zur Politik halten wir lieber Abstand." Adolf Ullmann war viele Jahre Bundesvorsitzender der Ackermann- Gemeinde. Dieser katholische Verband setzt sich seit seiner Gründung im Januar 1946 für die Versöhnung zwischen Deutschen und Tschechen ein. Ullmann äußerte sich beim Wochenende der Information und Begegnung, zu dem die Ackermann-Gemeinde in das Bischof-Benno-Haus nach Schmochtitz eingeladen hatte. Zusammen mit anderen Vertretern aus Kirche und Politik diskutierte er den gegenwärtigen Stand der europäischen Einigung mit besonderem Blick auf die beiden Nachbarländer Deutschland und Tschechien. Msgr. Karl Wuchterl aus Edling, der als Visitator im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz für die Seelsorge an den Sudetendeutschen zuständig ist, teilte Ullmanns Ansicht von den unpolitischen Pfarrgemeinden. Vielleicht sei das auch ein Grund dafür, "dass wir in den letzten Jahren so viele Engagierte verloren haben".

"Als Tschechien 2004 in die Europäische Union (EU) aufgenommen wurde, war die Euphorie groß", sagt Pfarrer Heinrich Bohaboj aus Chemnitz. "Doch wie steht es jetzt, ein Dreiviertel-Jahrzehnt später um die Integration der Tschechen in Europa?", fragte der Geistliche, der sich seit vielen Jahren im Osten Deutschlands für die Ackermann-Gemeinde engagiert. Die Bilanz, die die anderen Diskussionsteilnehmer zogen, war dabei weitgehend positiv, bei allen Fragen, die durchaus offen sind.

Zur gemeinsamen Währung gibt es keine Alternative

"Der Integrationsprozess ist weit fortgeschritten", stellt Karl Wuchterl. Als Priester sieht er aber manch weltanschauliche Frage in der Gesetzgebung der EU problematisch. Auch mit Blick auf die Euro-Krise beschäftigen ihn kritische Fragen. Nötig sei eine "eng verzahnte" Wirtschaftspolitik, statt ständig neuer "Rettungsschirme".

In der Rettung der gemeinsamen Währung sieht der sächsische Landtagsabgeordnete Heinz Lehmann (CDU) aus Chemnitz die gegenwärtig größte Herausforderung. Europa müsse "Tag für Tag neu erkämpft werden", meint Lehmann, der Sachsen im Ausschuss der Regionen vertritt, der die Europäische Kommission berät. Zum gemeinsamen Euro sieht er keine vernünftige Alternative. Der Nutzen, den die deutsche Wirtschaft davon habe, übertreffe bei weitem die Kosten, die die Rettung des Euro verursache. Europa müsse dennoch dafür sorgen, "dass die wirtschaftlich schwächeren Länder künftig in der Liga der starken Länder mitspielen können".

Für Adolf Ullmann ist die EU inzwischen ein "weltweit beachtetes Muster" des Miteinanders von Staaten geworden. Er vermisst aber eine grundlegende Wertediskussion. Seiner Ansicht nach müsse die christliche Soziallehre die gemeinsame Basis allen Handelns in Europa sein. Und am Verhältnis zur christlichen Soziallehre entscheidet sich für ihn auch, wer in die EU gehöre und wer nicht.

Zur Solidarität gehört auch Gerechtigkeit

Die Bedeutung der Prinzipien der christlichen Soziallehre für konkrete Politik in Europa machte Karl Wuchterl an zwei Beispielen deutlich: Das Prinzip der Subsidiarität (die größere Gemeinschaft macht nur das, was die kleinere Gemeinschaft nicht selbstständig machen kann) könne eine Hilfe gegen die Flut an europäischen Richtlinien sein, die zum Teil ins Lächerliche gehe. Und: Zur Solidarität, die die europäischen Länder bei der Rettung des Euro praktizieren, gehöre auch die Gerechtigkeit. "Es kann nicht sein, dass die Menschen in einem Land, in dem sie mit 67 Jahren in Rente gehen, die Rente mit 60 in einem anderen Land mitfinanzieren." Die Herstellung vergleichbarer Lebensverhältnisse in den Mitgliedsstaaten sei notwendig, auch um nationalistischen Kräften keinen Auftrieb zu leisten.

Ängste vor den Sudetendeutschen

In Tschechien ist die Idee für ein gemeinsames Europa nach Ansicht von Dr. Jan Heinzl, Geschäftsführer der Sdruzeni Ackermann-Gemeinde (Hejnice/Haindorf), noch nicht sehr weit entwickelt. "Wir müssen erst eine eigene Staatsidee finden, ehe wir eine gemeinsame Idee für Europa finden können", meint der Historiker. In Teilen der Bevölkerung gebe es viele Ängste, beispielsweise vor Forderungen der nach dem Zweiten Weltkrieg vertriebenen Sudetendeutschen.

Nicht nur Tschechien müsse seine Rolle in Europa finden, auch Deutschland, meint Adolf Ullmann. Die politischen Eliten müssten noch lernen, dass Deutschland in Europa aufgrund der Wiedervereinigung allein durch seine Bevölkerungszahl und die Wirtschaftskraft ein größeres Gewicht habe.

www.ackermann-gemeinde.de/

Aktuelle Empfehlung

Der TAG DES HERRN als E-Paper - Jetzt entdecken!

Aktuelle Buchtipps