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Papst müsste auf Rechte verzichten

Erfurter Kreuzganggespräche: Einheit der Kirchen und das Papstamt aus reformatorischer Sicht

Erfurt. Dass der Papst selbst das größte Hindernis für die Ökumene ist, hat schon Paul VI. erkannt. Einer seiner Nachfolger, Johannes Paul II. hat die nicht römisch-katholischen Kirchen zum Dialog über sein Amt eingeladen. Inzwischen gibt es evangelische Theologen, die sich einen Papstdienst in der Kirche vorstellen können.

Reinhard Frieling hat die Hoffnung auf die Einheit der Christen nicht aufgegeben. Und er - obwohl evangelischer Theologe - kann sich diese Einheit auch mit einem Papst vorstellen, freilich nicht in der Ausgestaltung, die das Papstamt zurzeit hat. Aber: "Ich träume von einem Papst als einem Diener der Einheit, der als Vorsitzender der konziliaren Gemeinschaft eine versöhnte Verschiedenheit der Kirchen anerkennt", sagte Frieling bei einem Vortrag im Rahmen der Erfurter Kreuzganggespräche. "Ich träume von einer Gemeinschaft mit, aber nicht unter dem Papst, in der der Papst gemeinsam mit der Oberhäuptern der anderen christlichen Kirchen die Initiative zu einem gemeinsamen Welt-Kirchentag oder Konzil ergreift."

Papst-Dogmen ökumenisch interpretationsfähig?

Die größten Schwierigkeiten mit dem Papst bereiten den nicht römisch-katholischen Kirchen dessen oberste Lehrgewalt (Unfehlbarkeit) und seine höchste Rechtsgewalt (Jurisdiktionsprimat), wie sie vom Ersten Vatikanischen Konzil als Dogma definiert worden sind. Das haben die Päpste des letzten halben Jahrhunderts selbst erkannt: Paul VI. nannte den Papst das größte Hindernis für die Ökumene und Johannes Paul II. lud vor diesem Hintergrund die Führer und Theologen der anderen christlichen Kirchen und Gemeinschaften zum Dialog über das Papstamt ein. "Die Frage heißt: Wie sind diese Papst-Dogmen des Ersten Vatikanums ökumenisch interpretationsfähig?", sagt Frieling, der unter anderem das konfessionskundliche Institut des Evangelischen Bundes in Bensheim leitete sowie Mitglied der Gesprächsgruppe des Ökumenischen Rates der Kirchen und des Vatikans war.

Für Frieling kann das Ziel der Ökumene nicht in der Rückkehr in der "Schoß der römisch-katholischen Kirche" bestehen. Diese "Rückkehrökumene" müsse von einer Zukunftsökumene abgelöst werde, deren Ziel in einer konziliaren Gemeinschaft der verschiedenen christlichen Konfessionen besteht. In dieser Gemeinschaft könne der Papst als Oberhaupt der großen römisch-katholischen Kirche eine besondere Rolle spielen, indem von ihm Initiativen für die Gesamtkirche ausgehen, um das christliche Zeugnis angesichts der globalen Herausforderungen zu fördern, erklärt Frieling. "In außergewöhnliche Situationen könnte der Papst auch in Absprache mit den anderen im Namen der ganzen Christenheit sprechen."

Entscheidenden Schritt muss der Papst gehen

Die entscheidenden Schritte dazu müsste der Papst allerdings zunächst selber gehen. Frieling: "Der Papst kann um der Einheit der Kirche willen auf historisch gewachsene Rechte verzichten und eine ökumenische Entwicklung einleiten, bei der er von den nicht römisch-katholischen Christen keine Anerkennung des Unfehlbarkeitsdogmas und des Jurisdiktionsprimates fordert."

Kann also künftig die Unfehlbarkeit des Papstes und sein Jurisdiktionsprimat für einen katholischen Christen eine andere Bedeutung haben als für eine evangelische Gemeinschaft mit, aber nicht unter dem Papst? Frieling findet die Antwort auf diese Fragen in einem Plan, den die beiden katholischen Theologen Karl Rahner und Heinrich Fries 1983 entwickelt haben. Darin heißt es unter anderem sinngemäß: In keiner Teilkirche dürfe etwas als Irrlehre verworfen werden, was in einer anderen Teilkirche ein Dogma ist, andererseits dürfe keine Kirche etwas von einer anderen Kirche als Dogma einfordern. Übertragen auf das Papstamt hieße das: Keine andere christliche Kirche verwirft die Unfehlbarkeit und den Jurisdiktionsprimat, den der Papst in der römisch-katholischen Kirche innehat, diese fordert aber ihrerseits von den anderen Kirche nicht, dass sie diese Dogmen anerkennen müssen.

Bis dahin wird es wohl noch ein weiter Weg, nicht nur, weil der Rahner-Fries-Plan seinerzeit den heftigen Widerspruch eines anderen katholischen Theologen hervorrief: Joseph Ratzinger, heute Papst Benedikt XVI. Insgesamt stellt Freiling der Spitze der katholischen Kirche in Sachen Ökumene zurzeit kein gutes Zeugnis aus: Selten sei die katholische Kirche so römisch gewesen wie heute. "Wir Protestanten registrieren, dass das Einheitssekretariat im Vatikan weit weniger Gewicht hat als die Glaubenskongregation." Und solange die katholische Kirche sich selbst als die einzig wahre Kirche sieht, anderen Konfessionen aber das Kirche-Sein im eigentliche Sinne abspricht, ist sie von der Zukunftsökumene Frielings weit entfernt.

Von Matthias Holluba

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