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Anstoß

Richtig wichtige Menschen

Guido Erbrich

Wer ein "VIP" ist, hat es gut. Bei Konzerten und Empfängen gibt es die besten Plätze, meist ein Extra- Buffet und die besseren Weine. Außerdem muss sich so ein VIP nicht mit den "Normalen" im Parkett abgeben, sondern kann im illustren Kreise mit denen zusammen sein, die ein wenig wertvoller sind als andere. VIP heiß "very important person" - also ein besonders wichtiger Mensch.

Spannend ist die Frage, was einen VIP zum VIP macht. Das kann eine bedeutende Stellung in der Gesellschaft sein, eine besondere Funktion, ein wunderbares Talent, der Bekanntheitsgrad, die Spendenbereitschaft, ein äußerst wichtiges Amt, eine Weihe.

Wer selbst einmal als VIP eingeladen wird, darf sich getrost ein wenig geehrt und gebauchpinselt fühlen. Es hebt die eigene Bedeutung - und das tut den meisten Menschen gut.

Trotzdem sollten zumindest bei uns Christen alle Alarmglocken schellen, wenn von den VIP die Rede ist. Gibt es Menschen, die wichtiger und wertvoller als andere sind? Das doch wohl nicht. Die VIP passen nicht zu dem Gott, der alle Menschen einlädt. Zumindest nicht in der Form, wie der VIP-Kult heute zelebriert wird.

Doch Hand auf Herz, kannte nicht auch Jesus besonders wichtige Menschen? Aber sicher und von diesen ist in der Bibel immer wieder die Rede: Es sind Zöllner und Pharisäer, Ehebrecherinnen und eine ganze Reihe unvollkommener Leute. Kinder gehören dazu und Fischer, Handwerker und Samariter. Nicht gerade die oberen Zehntausend der Gesellschaft. Allerdings gibt es noch ein paar gravierende Unterschiede: Jesus wendet sich den Menschen unabhängig von den oben genannten VIP-Kriterien zu. Und er gibt einen ziemlich radikalen Kurs vor: "Bei euch soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, soll euer Sklave sein." (Mt 20,26-27)

Wir werden unserer Gesellschaft den VIP-Kult und Promi- Wahn wahrscheinlich nicht so schnell austreiben - aber wir können ihn von diesem Blickwinkel aus ruhig ein wenig umgestalten. Wir könnten bei den nächsten großen Veranstaltungen die Tischund Sitzordnung mal ein wenig anders gestalten. Bunter und durchmischter. Besondere Plätze für diejenigen bereithalten, die gewöhnlich in Vergessenheit geraten. Dann sitzt die Verkäuferin neben dem Bischof und der Zweitklässler neben der Bürgermeisterin. Da begegnen sich Anwälte und Hartz-IV-Empfänger, Rentner und die Jugendband. Der Pfarrer sitzt mit der fünfköpfi gen Familie am Tisch und die PGR-Vorsitzende lacht mit der Ortsfeuerwehr.

Ein Klima wäre schön, in denen sich jeder als VIP fühlen kann, weil er sich eingeladen weiß und mit seinen Talenten und Macken, seinen Stärken und Schwächen dazugehört. Und wenn jeder ein VIP ist, kann man die Schilder und Sonderbereiche vergessen.

Übrigens gab es für das englische VIP auch mal das altehrwürdige Wort "Ehrengast". Ich gestehe, es gefällt mir besser. Nicht, weil ich was gegen Englisch habe, sondern weil es andere nicht herabstuft.

Guido Erbrich, Roncalli-Haus Magdeburg

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