370 Jahre Ordensleben
Acht Borromäerinnen feiern in der Pfarrkirche Heilig Kreuz in Görlitz ihr Jubiläum
"Gehorsam ist zunächst keine Tugend. Niemals ist Gehorsam für sich allein gut. Es hängt davon ab, wer wem, wann und warum gehorsam ist." Ordinariatsrat Norbert Joklitschke begann mit diesen Worten seine Ansprache während der feierlichen Vesper, mit der die Feier von sieben Ordensjubiläen bei den Barmherzigen Schwestern vom heiligen Karl Borromäus in Görlitz am Nachmittag des 27. Mai begonnen wurde. Fünf goldene Jubilarinnen und zwei diamantene saßen in der mit fast 70 Gästen übervollen Kapelle des St.-Josef-Hauses, das sich auf dem Gelände des Malteserkrankenhauses St. Carolus befindet. Am Ende dieser Andacht, an der neben dem Diözesanadministrator Hubertus Zomack auch Altbischof Rudolf Müller teilnahm, wurden die Jubilarinnen mit Diademen geschmückt.
Jede der Schwestern blickt auf ein erfülltes Leben im Orden und im Beruf zurück. Schwester M. Jutta Bikowski (das M. in jedem der Schwesternnamen steht für Maria) ist ausgebildete Kinderund Jugendleiterin (Sozialpädagogin). Schwester M. Claudia Jander ist Fachkrankenschwester und war viele Jahre bis zu ihrer Pensionierung Ende 2010 Stationsschwester im St.-Carolus- Krankenhaus. "Eine Sonderstellung bekamen die Schwestern bei ihren Ausbildungen nicht", erinnert sich die Regionaloberin, Schwester M. Seraphina Teubner. "Wir mussten alle unsere Weiterbildungen in staatlichen Einrichtungen absolvieren." Schwester M. Sonja Kowalski kochte in Dresden für die Kapellknaben, in Eisenach und auch in Görlitz. Denselben Beruf übte Schwester M. Thekla Thiel aus. Sie war für das leibliche Wohl im St.-Carolus- Krankenhaus Görlitz und im Benno-Krankenhaus in Bautzen zuständig. Schwester M. Valeria Salisch arbeitete in der Küche und in der Bäckerei in Eisenach. Das Brot wurde dort jeden Tag selbst gebacken. Sie alle feiern ihr goldenes Ordensjubiläum.
Zehn weitere Jahre im Orden ist Schwester M. Juliana Sperlich. Im Priesterseminar in Neuzelle war sie bis zur Verlagerung des Seminars nach Erfurt für das leibliche Wohl der Priesterkandidaten zuständig. Mit ihr feiert Schwester M. Renata Gutmann das diamantene Ordensjubiläum. Sie arbeitete vorwiegend als Arztsekretärin.
Im Festgottesdienst am Samstagvormittag erneuerten die sieben Schwestern vor dem Altar ihr Gelübde. Dies geschah einzeln. Jede Schwester hatte dabei eine brennende Kerze in der Hand. Sie wollen Gott weiterhin über sich, über ihr Leben verfügen lassen - wie Maria. Ordinariatsrat Joklitschke griff in seiner Predigt diesen Gedanken auf: "Wenn Maria sagt: ,Ich bin die Magd des Herrn‘, dann ist damit nicht ein Dienstmädchen gemeint. Der Evangelist Lukas verwendet das Wort Knecht, mit der weiblichen Endung." Dieser Begriff habe eine wichtige Bedeutung. Man kennt den Gottesknecht. Er ist einer, der "ganz im Sinne seines Herrn handelt. Er fühlt sich in die Hausgemeinschaft Gottes einbezogen. Dabei machte er sich die Anliegen des Allmächtigen zu eigen", sagte Pfarrer Joklitschke. Dieser Gedanke passt mit dem Auftrag des Ordens zusammen. "Für unsere Kongregation ist das Gebet von großer Wichtigkeit. Der Tagesablauf wird deshalb so gelegt, dass jede Schwester am gemeinsamen Gebet teilnehmen und vor allem die Eucharistie mitfeiern kann", sagt Schwester Seraphina. In den Gebeten nehmen sie die vielfältigen Gebetsanliegen auf, die die Menschen ihnen sagen oder in ein Buch schreiben, das in der Kapelle ausliegt.
Dass es für die Schwesterngemeinschaft nicht mehr so einfach ist, wie es einmal war, zeigen die Zahlen. 348 Ordensschwestern zählte die ostdeutsche Provinz im Jahr 1948 bei ihrer Gründung. Damals gab es 32 Niederlassungen, die über das Gebiet der ehemaligen DDR verstreut waren. Heute gibt es nur noch zwei Niederlassungen: in Görlitz leben noch 39 Schwestern und in Wittichenau fünf. Der größte Wunsch der Regionaloberin ist, dass Kreuze "als Zeichen unseres Glaubens immer weithin sichtbar bleiben."
Von Raphael Schmidt