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"Plötzlich war er verschwunden"

Ehemaliger sorbischer Kapellknabe erinnert sich an Alojs Andritzki / Vorfreude auf die Seligsprechung

Bautzen/Dresden (dw). Mit bis zu 8000 Teilnehmern rechnet das Bistum Dresden-Meißen für die Seligsprechung Alojs Andritzkis am 13. Juni. Zu den Ehrengästen, die während der Zeremonie vor der Dresdner Kathedrale einen Sitzplatz haben werden, gehört der einstige Kapellknabe Martin Bulang.

Unter den Sorben ist die Vorfreude auf die Seligsprechung Alojs Andritzkis besonders groß. Das Bild zeigt Sorbinnen und Ministranten aus Radibor in der Dresdner Innenstadt am 5. Februar bei einer Prozession mit den Urnen in Dachau umgekommener Priester

"Das wird ein erhebendes Erlebnis sein. Ich freue mich riesig!", sagt der 81-Jährige Bautzner. Auch wenn die gemeinsame Zeit bei den Dresdner Kapellknaben kaum mehr als ein halbes Jahr dauerte, ist Martin Bulang seinem Präfekten Alojs Andritzki bis heute dankbar. Für den gerade elfjährigen Sorben war es nicht einfach, sich in der deutschsprachigen Großstadt einzuleben. "Kaplan Andritzki half mir, das Heimweh zu vertreiben", erinnert sich Martin Bulang. Er durfte ihm regelmäßig in der Frühmesse ministrieren und freute sich mit den anderen Kapellknaben an seinen berühmten akrobatischen Einlagen.

Den freundschaftlichen Umgang, den der Priester mit den Heranwachsenden pflegte, empfand Martin Bulang damals als völlig ungewöhnlich. Üblicherweise seien Laien Klerikern in dieser Zeit mit Ehrfurcht und Distanz begegnet: "Als wir Bischof Legge vorgestellt wurden, knieten wir nieder und küssten seinen Ring", weiß er noch. Mit der Verhaftung Alojs Andritzkis endete die schöne gemeinsame Zeit abrupt: "Er war plötzlich verschwunden. Man hat uns aber nicht viel erzählt." Vermutlich wollten die Verantwortlichen die Schüler keiner zusätzlichen Gefahr aussetzen, denkt der ehemalige Kapellknabe heute. Schließlich stand das Internat bei den Nationalsozialisten bereits auf der "Abschussliste". Mit niemandem über das schockierende Geschehene sprechen zu können, war für den Elf-Jährigen eine Erfahrung, die ihn stark belastete, zugleich aber auch für spätere Bewährungsproben stärkte.

Er dachte zum Beispiel wieder daran, als er bei Kriegsende im Wehrertüchtigungslager Bautzen in Kampfhandlungen verwickelt wurde. Unter den anderen 15- und 16-Jährigen fühlte er sich mit seiner Gesinnung ganz allein. Die Gleichaltrigen glaubten an den Nationalsozialismus und wollten unbedingt die Russen besiegen. "Damals kam mir oft in den Sinn: Das hast du doch schon einmal erlebt, dass du mit einem Problem auf dich gestellt warst und dich bei niemandem aussprechen konntest …"

"Ein bisschen stolz" sei er schon, dass er Alojs Andritzki kennenlernen durfte, sagt Martin Bulang. Auch wenn viele Details nach 70 Jahren in Vergessenheit geraten sind, ist ihm der Priester bis heute ein Vorbild. Seine Seligsprechung empfindet er als etwas "ganz, ganz Großes" Am vergangenen Wochenende geriet er beim Umsteigen am Dresdner Hauptbahnhof zufällig in den Trubel des Kirchentags: "Das war für mich schon eine gewisse Einstimmung auf den Pfingstmontag."

Auch musikalisch dürfte das Fest für den früheren Kapellknaben ein Genuss werden. Beim Gottesdienst vor der Kathedrale wird er seine "Nachfolger" erleben können, die heutigen Kapellknaben, die die Messe im Wechsel mit den 220 Sängern eines sorbischen Projektchores gestalten.

Der Festgottesdienst vor der Kathedrale beginnt am 13. Juni um 10.30 Uhr.

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