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Lebensraum Kirchturm

Hoch oben in der Lindenauer Liebfrauenkirche sind kleine Turmfalken geschlüpft

Leipzig. In Kirchtürmen finden bedrohte Vogelarten wie Falken oder Schleiereulen einen idealen Lebensraum. Sächsische Kirchgemeinden engagieren sich deshalb für den Tierschutz.

Dietmar Heyder schaut gemeinsam mit Elisabeth Wagner, einer Religionsschülerin der Liebfrauen- Gemeinde, nach den jungen Lindenauer Kirch-Turmfalken

Dietmar Heyder kennt den Weg zum Turm. Dabei ist der 67-Jährige aus Markranstädt eher selten in der katholischen Liebfrauenkirche in Leipzig-Lindenau. Nur jedes Jahr im Frühsommer interessiert sich der ehemalige Mitarbeiter der Leipziger Naturschutzbehörde für eine hölzerne Box im Kirchturm und seinen flauschigen, grauen Inhalt. Dietmar Heyder beringt für die Beringungszentrale Hiddensee Vögel - auch die vier kleinen Turmfalken, die in diesem Jahr in der Liebfrauenkirche geschlüpft sind.

Der Nistkasten wurde dort 1995 auf Initiative des ehemaligen Naturschutzamtes der Stadt Leipzig angebracht, wie auch an anderen Kirchtürmen der Stadt. Daraus sei eine gute Zusammenarbeit entstanden, meint Bernhard Kartes von der Unteren Naturschutzbehörde Leipzig. Manche Gemeinde würde die Idee mit den Nistkästen auch weitertragen. "Unsere Gemeinde weiß, dass wir die Vögel auf dem Turm haben", sagt Ingrid David vom Pfarrbüro der Liebfrauenkirche. "Ich zeige sie auch gerne mal von draußen." Denn der Aufstieg über eine schmale Wendeltreppe und den Kirchendachboden sei doch ein bisschen gefährlich.

So wie hier bieten Kirchtürme in ganz Sachsen Lebensraum für Vögel: Auf manchem Dach haben Störche einen Platz zum Nisten gefunden, in anderen Nischen haben sich Dohlenpärchen eingerichtet oder Turmfalken. Turmfalken waren früher Baumbrüter, berichtet Vogelberinger Heyder: "Sie sind den Menschen in die Städte gefolgt." Das erklärt, warum sich die Greifvögel auch auf hohen Gebäuden, in Türmen oder auf Brücken mitten in der Stadt zu Hause fühlen, vor allem dann, wenn Nistkästen in passender Größe angebracht sind.

Seit 2007 werden Gemeinden mit einer Plakette "Lebensraum Kirchturm" ausgezeichnet, wenn sie sich für den Artenschutz engagieren. In Sachsen wurde das Projekt vom Naturschutzbund (NABU), der Telekom und dem ehemaligen Umweltbeauftragten der evangelisch-lutherischen Landeskirche Joachim Krause gestartet. Bisher haben 30 Kirchgemeinden eine Plakette erhalten. Sie haben in den dunklen oder verwinkelten Ecken ihrer Gotteshäuser Fledermäusen oder bedrohten Vogelarten wie Turmfalken oder Schleiereulen Brutstätten eingerichtet. Manche konnten sogar per Video im Internet beobachtet werden, so wie in der Kirche Altscherbitz. "Dieses Jahr ist dort leider nur noch ein Altvogel des Falkenpärchens gesichtet worden", sagt Ina Ebert vom NABU. Also gibt es keine Küken zu sehen. Auch das kann passieren.

Deutschlandweit haben sich bisher rund 400 Gemeinden an dem Projekt des NABU beteiligt, dazu kommen unbekannte Nistplätze. In Kirchen sind diese schnell gefährdet, wenn bei Kirchturmsanierungen Einfluglöcher oder Brutnischen verschlossen oder zum Schutz vor Tauben Gitter und Metallspitzen angebracht werden. Dann können sich dort auch Falken verletzen, weiß Dietmar Heyder, der auf Kirchtürmen rund um Leipzig immer wieder nach den Vögeln schaut. Als er den Turmfalkennachwuchs in der Leipziger Liebfrauenkirche nummerierte Ringe um die Beinchen klemmen will, entdeckt er fremde Federn im Nistkasten. "Diese hier stammen von Buchfink, Rotschwanz und Amsel", erkennt Heyder sofort. "Das ist das Problem von Nistkästen in der Stadt. Turmfalken finden hier ja keine Mäuse und suchen sich dafür andere Vögel als Nahrung, mitunter sogar geschützte Arten." Bernhard Kartes von der Unteren Naturschutzbehörde Leipzig beruhigt: "Das sind vor allem kranke und geschwächte Tiere. Es ist naturgegeben, dass sich Falken diese zuerst als Beutetiere suchen." Dennoch fehlten Nahrungsmöglichkeiten auch auf dem Land, sagt Ina Ebert von der NABU. Zu viel Fläche werde bewirtschaftet. "Mittlerweile gehören Falken aber zum Stadtbild dazu. Sie werden in den Kirchtürmen gebraucht, um ungeliebte Tauben fern zu halten."

Von Maxie Thielemann

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