Wie funktioniert der Vatikan?
Heiligenstadt: Pater von Gemmingen sprach über seine Arbeit als Journalist in Rom
Heiligenstadt. Pater Eberhard von Gemmingen SJ, viele Jahre Leiter der deutschsprachigen Abteilung von Radio Vatikan, sprach im Eichsfeldforum in Heiligenstadt über seine Erfahrungen als Journalist in Rom.
Das Sommersemester des Eichsfeldforums sollte bereits abgeschlossen sein, da ließ ein zusätzlicher Vortrag an einem ungewöhnlichen Termin, einem Sonntagabend im Juni, die Besucher ins Marcel-Callo-Haus, das Jugend- und Erwachsenenbildungshaus, in Heiligenstadt strömen. Informationen aus erster Hand versprach der Vortrag "Wie tickt der Vatikan?" Dario Pizzano, Regionalbeauftragter des Katholischen Bildungswerkes im Bistum Erfurt, hatte den Angehörigen des Jesuitenordens eingeladen, der, so Pizzano, "schon mal bei jedem von uns zu Gast gewesen ist, in unseren Wohnzimmern." Der Ordensmann war eigens aus Rom angereist.
27 Jahre lang, bis vor eineinhalb Jahren, war Eberhard von Gemmingen in Rom zu Hause. Tätig war er seit 1982 als Leiter der deutschsprachigen Abteilung von Radio Vatikan. Der vor 80 Jahren gegründete Sender strahlt seine Beiträge in 40 Sprachen aus. Einen Namen machte er sich bereits seit 1980 als Co-Moderator und kirchlicher Beauftragter beim ZDF. Aber er war auch für die ARD tätig und galt als sachkundiger Berater für die Berichterstattung über vatikanische Ereignisse wie Gottesdienste und päpstliche Audienzen auf dem Petersplatz.
Nach der Wahl Kardinal Joseph Ratzingers zum Papst führte Pater von Gemmingen das erste offizielle Interview mit ihm, den er bereits aus seiner Studienzeit kannte. Als Eberhard von Gemmingen in Tübingen studierte, gehörte Joseph Ratzinger zu seinen Professoren.
In Rom habe er "gut und vernünftig arbeiten können", unterstrich der Referent. Er verwies auf die unterschiedliche Radio- Programmgestaltung für die verschiedenen Länder und auch darauf, dass der Sender für viele Menschen in der DDR wichtig war.
"Der Papst läuft einem nicht über den Weg; ihm begegnet man nicht so nebenbei", erzählte er aus seinem Alltag. Entscheidungen des Vatikan, berichtete von Gemmingen, würden trotz des gleichen Glaubensbekenntnisses aller Katholiken rund um den Globus anders aufgenommen. Themen, über die deutsche katholische Christen heftig und kritisch diskutieren, würden zum Beispiel in Italien mit Gelassenheit hingenommen, in Afrika oder Asien spielten sie überhaupt keine Rolle. Grund dafür seien Mentalitiätsunterschiede der Menschen innerhalb der Weltkirche. Am besten nachvollziehbar sei das im Vergleich der unterschiedlichen Temperamente innerhalb Deutschlands, beispielsweise zwischen Bayern und Küstenbewohnern. Bis zur Französischen Revolution, so von Gemmingen, sei das Papstwort sakrosankt, also unantastbar gewesen: "Der Papst sagt es und es ist so." Offene Diskussionen habe es bis dahin nicht gegeben.
Näher ging er auf die unterschiedliche Wahrnehmung von Benedikt XVI. und seinem Vorgänger Johannes Paul II. in der Öffentlichkeit ein. Im Vergleich beider Päpste habe der polnische Papst in den Medien das Image erhalten, modern, offen, großartig und außerordentlich charismatisch zu sein. Sein Nachfolger werde hingegen als konservativ dargestellt. Papst Johannes Paul II. sei ein Paulus gewesen, der der Welt zeigen wollte, wie er als Mensch und als Christ lebt, der seinen Glauben gleichsam auf ein Tablett gelegt habe. Ein Mann des Sehens sei er gewesen.
Benedikt XVI. hingegen gebe sich als ein Mann des Hörens zurückhaltend. Das gute Hinhören, ja Hineinhören in das, was er zu sagen habe, sei schwieriger. Deshalb entstünde manchmal der Eindruck, Johannes Pauls Nachfolger rudere zurück.
Zu den wichtigen, für die Zukunft anstehenden Themen im Vatikan gehören nach Ansicht von Pater von Gemmingen die schwieriger gewordene Vermittlung des Glaubens an die Jugend und die Rolle der Frau in der katholischen Kirche.
Von Christine Bose