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Keine Angst mehr vor anderen Religionen

Josef Freitag sprach in Eisenach über ein kleines, aber wichtiges Konzilsdokument: Nostra Aetate

Eisenach (mh). Das Verhältnis der katholischen Kirche zu den anderen großen Weltreligionen hat sich in den letzten 50 Jahren dramatisch verändert. Wie? Darüber sprach der Erfurter Dogmatiker Josef Freitag jetzt in Eisenach.

Noch vor 50 Jahren war alles ganz einfach. Wer katholisch war, gehörte der einzig richtigen Religion an. Anhänger aller anderen Konfessionen und Religionen hatten einen falschen Glauben und mussten zur wahren Religion durch Mission bekehrt werden. So lautete damals die gängige Meinung in der katholischen Kirche. Wie in vielen anderen Punkte hat auch hier das Zweite Vatikanische Konzil (1962-65) ganz neue Einsichten formuliert. "Wenn wir heute von anderen Religionen sprechen, tun wir das nicht mehr voller Misstrauen und indem wir die Defizite betonen, sondern mit Achtung", sagt der Erfurter Dogmatiker Josef Freitag. Seinen Niederschlag hat diese neue Haltung in dem Konzilsdokument "Nostra Aetate" gefunden. "Das ist ein sehr kurzer Text, aber mit weitreichenden Folgen", sagt Freitag, der bei einem Vortrag in Eisenach Entstehung und Inhalt von "Nostra Aetate" erläuterte.

Der Anstoß zur Beschäftigung mit diesem Thema kam von Papst Johannes XXIII. Er betonte im Vorfeld des von ihm einberufenen Konzils die Notwendigkeit, das Verhältnis der katholischen Kirche zum Judentum nach dem Erlebnis des Holocaust neu zu überdenken. Weil man mit Blick auf die Juden in Israel befürchtete, dass eine entsprechende Neupositionierung dann die Christen in den arabischen Ländern zu büßen hätten, war schnell klar, dass auch das Verhältnis zum Islam überdacht werden muss. Bis zur Einbeziehung der anderen großen Weltreligionen war es dann nur ein kleiner Schritt.

Der Ausgangspunkt der Betrachtung war nicht mehr die Frage nach der Mission, sondern die Frage nach dem, was Christen und Anhänger anderer Religionen gemeinsam haben, erklärt Freitag. Weil nach christlichem Verständnis Gott Ursprung und Ziel aller Menschen ist, können Christen von anderen Menschen nur mit Hochachtung sprechen. Das schließt die Achtung vor deren Religion ein. Alle Religionen, so sagt es "Nostra Aetate", beschäftigen sich mit der Suche nach "Antworten auf die ungelösten Rätsel der Menschheit": Was ist der Mensch? Was ist Sinn und Ziel seines Lebens? Was ist gut, was Sünde? "In der gemeinsamen Suche nach Antworten auf diese Fragen, werden Christen und Nichtchristen zusammengeführt", sagt Freitag. Christen, Muslime und Juden verbindet darüber hinaus der Glauben an den einen Gott, den Gott Abrahams. Und das Verhältnis zu den Juden ist deshalb noch einmal ein besonderes, "weil uns ein gemeinsames Erbe verbindet". Papst Johannes Paul II. nannte später die Juden die "älteren Brüder".

"Ist es dann überhaupt noch wichtig, Christ zu sein?", fragt Josef Freitag. Ja, sagt "Nostra Aetate", denn: Obwohl das Konzil die Religionsfreiheit anerkennt, bleiben die Christen überzeugt, dass sie "in Christus die Fülle des religiösen Lebens finden, in dem Gott alles mit sich versöhnt hat", wie es in dem Konzilsdokument heißt.

Als Konsequenz aus diesem neuen Denken der katholischen Kirche über andere Religionen ergibt sich, dass Begegnung untereinander möglich ist, weil man voreinander keine Angst haben muss. Außerdem ist jeglicher Gewaltausübung aus religiösen Gründen die Begründung entzogen. Zwar neigten Religionen zur Gewalt, weil es ihnen um das Ganze gehe, sagt Freitag, aber Gewaltausübung vertrage sich mit keiner Religion, weil es keine Religion gibt, die von der Verachtung anderer Menschen lebt.

Josef Freitag sprach im Rahmen einer Vortragsreihe von Katholischem Forum und Katholisch- Theologischer Fakultät Erfurt, die im Vorfeld des Papstbesuches an verschiedenen Orten in Thüringen stattfindet. Sie trägt den Titel "Religion in der Welt von heute".

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