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Bonifatius in Turnschuhen

Der "Pilgerzug der Kinder auf der Via Regia" hat sich am Bischof-Benno-Haus in Bewegung gesetzt

Von Dorothee Wanzek
Schmochtitz. 110 Kinder und Jugendliche sind vergangenen Montag in Schmochtitz zu einer Pilgertour entlang der Via Regia aufgebrochen. Als Handwerker, Bauern, Ordensleute oder Künstler verkleidet legen sie täglich etwa 15 Kilometer zurück und treffen am 23. Juli in Görlitz ein.

An seiner Rolle hat Herbert Schneider aus Saalau bei Wittichenau schon vor zwei Jahren Gefallen gefunden: Als das Bonifatiuswerk im Bistum Görlitz seine Spendenaktion eröffnet hatte, war der aufgeweckte Junge als "Apostel der Deutschen" verkleidet durch das Bistum gezogen.
Als der heute Zehnjährige von dem "Pilgerzug der Kinder" erfuhr, fiel ihm die Rollenwahl nicht schwer: "Ich interessiere mich für Heilige", erzählt er vor dem Start des Pilgerzugs. Schon am Vortag, als die Sieben- bis Vierzehn-Jährigen sich im Bischof-Benno-Haus Schmochtitz auf ihre historische Wanderung einstimmten, hat er sein großes hölzernes Missionars-Kreuz kaum aus der Hand gelegt, allenfalls um sich in der "Knappenschule" im wirkungsvollen Führen des Schwertes zu üben. In Hessen gibt es sogar einen Abschnitt der Via Regia, der sich mit dem Bonifatius-Pilgerweg überschneidet, weiß Bonifatius alias Herbert von seiner Mutter - und die hat es aus dem Internet.
Die 16-jährige Judith aus Mengelsdorf war überrascht, in Schmochtitz auf Daniela Dicker zu treffen, die an einem Stand des Kindermissionswerks "Die Sternsinger" mit Kindern Sterne bastelte. "Ich bin auch seit vielen Jahren Sternsingerin", verriet das Mädchen. Dass der lateinische Name "Via Regia" auf Deutsch "Straße der Könige" heißt, war ihr ebenso neu wie die Bedeutung des Sterns als klassisches Pilgersymbol. "Sternsinger arbeiten das ganze Jahr über", erfährt Judith von Daniela Dicker. "Gerade jetzt zum Beispiel leisten wir Soforthilfe in der Hungerkatastrophe in Afrika", erzählt die Leiterin der ostdeutschen Regionalstelle des Kindermissionswerks.
Längst nicht alle Teilnehmer des Pilgerwegs sind Christen. "Lust auf Abenteuer" ist die meistgenannte Antwort auf die Frage nach dem Beweggrund zum Mitpilgern. Mitarbeiter der Bistümer Görlitz und Dresden-Meißen beteiligen sich an einem Projekt, das die Volkshochschule Görlitz veranstaltet und das zum offiziellen Programm der sächsischen Landesausstellung "Via Regia" gehört. Unter anderem sind Mitglieder des Bautzner Mittelaltervereins "Militia Nigra" mit dabei, die mit Kirche zum Teil sonst kaum Berührung haben.
"Ich sehe es als eine besondere Chance, als Seelsorger hier mitzupilgern", sagte der Dresdner Pfarrer Christoph Baumgarten. Wichtig sei es ihm dabei, niemanden gegen seinen Willen für Gebet und Gottesdienst zu vereinnahmen. "Was ich hier genau tun werde, wird sich erst auf dem Weg ergeben." Offen zu sein für alles, was man unterwegs vorfindet, sei eine Haltung, die kennzeichnend für Pilger sei.
Berührungsängste gegenüber der Kirche konnte die Görlitzer Kinderseelsorgerin Gabriele Kretschmer, Mitinitiatorin des Pilgerzugs, nach dem geistlichen Morgenimpuls am Vorbereitungstag nicht ausmachen. "Das Christliche gehörte im Mittelalter ganz selbstverständlich mit dazu." Entsprechend aufnahmebereit habe sie die Kinder und Erwachsenen erlebt. Im Vordergrund stand es für sie, Kindern nahezubringen, wie man hierzulande im Mittelalter lebte. Die stilechte Umsetzung legte sie dabei ins Ermessen der Teilnehmer. Neben Pilgern, die - wie die zwölfjährigen Freunde Timon und Felix aus Görlitz - mit Trinkhorn, Ledergürtel und selbstgenähten Kleidern epochengetreu ausgestattet waren, oder Herbert, der sein mittelalterliches Gewand mit bequemen Turnschuhen kombinierte, fanden sich andere, die in gewöhnlicher Alltags-Ausstattung loszogen. "Dass alles bis auf das I-Tüpfelchen stimmig ist, spielt für mich nicht so eine große Rolle", sagte Kathleen Krannich aus Leipe, die mit dreien ihrer Kinder mitpilgert. Sie freute sich besonders auf "ein schönes Gemeinschaftserlebnis, einmal ganz ohne Gameboy und Handy".
Neben Geschmacksfragen und praktischen Erwägungen spielten auch Zwänge eine Rolle, denen mittelalterliches Pilgern im 21. Jahrhundert unterliegt. Anstelle einer Pilgerfahne trug die Gruppe beispielsweise Signalfahnen zur Regelung des Straßenverkehrs voran.

Hinweis:

Zwischen 12 und 13 Uhr soll der Pilgerzug am 23. Juli an der Landeskrone Görlitz eintreffen. Um 15 Uhr beginnt auf dem Untermarkt ein Programm mit dem Bistumskinderchor.

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