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Kirchen zum Sprechen bringen

Halle: Tag der Akademie war der Kirchenraumpädagogik gewidmet

Von Uwe Naumann
Halle. Welche Schätze sind noch in den Kirchen des Bistums Magdeburg zu heben? Und welche Chancen bieten diese im Sinne einer Kirchenraumpädagogik? Antworten darauf gab der 16. Tag der Akademie des Bistums Magdeburg am 2. Juli in der Franziskusgemeinde in Halle.

Schon im vergangenen Jahr suchte die katholische Akademie beim Tag der Akademie die Begegnung von Kirche und Kunst. Die als Fortsetzung gedachte Veranstaltung am ersten Juli-Wochenende sollte nun einen weiteren "Beitrag zur kulturellen Diakonie" leisten, betonte Akademiedirektor Hans-Joachim Marchio. "Kirchen gehören der Gesellschaft und sind ein Ort der Identifikation", sagte Marchio auch mit Verweis auf den Tourismus.

Der Musealisierung von Kirchen entgegenwirken
Diesen Punkt konnte Harald Schwillus von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenburg nur bestätigen, denn der Professor für Religionspädagogik eröffnete am gleichen Wochenende ein Zentrum für spirituellen Tourismus im thüringischen Friedrichroda. Ausgehend von diesem aktuellen Beispiel stellte Schwillus die "theologische Disziplin der Kirchenraumpädagogik" vor, die seiner Meinung nach "Kirchen zum Sprechen bringen" kann.
"Kirchenpädagogik", wie er es auch nennt, "will die Musealisierung der Kirchen verhindern beziehungsweise rückgängig machen", sagte der Professor vor etwa 80 Teilnehmern. Sie solle sowohl Gemeindegliedern als auch Gästen helfen, "die Kirchenräume wieder bewusst zu sehen, zu erfahren und zu erspüren". Der Kirchenraum helfe, Gott näher zu kommen. Seine Funktion ist es, "Göttlichkeit und Heil erlebbar zu machen", so der Religionspädagoge. Dafür sei die Kirche geschaffen worden und diese Atmosphäre solle sie auch ausstrahlen. Nötigenfalls müssten Kirchenräume dazu "von einigen gut gemeinten Dingen beräumt" werden. Als Beispiele nannte Harald Schwillus metallene Bestuhlungen, die eher an Konferenzräume erinnern, oder Kirchenvorräume, die eher Abstellkammern gleichen.
Auf diese Weise bekämen Kirchengebäude eine neue Chance, um Menschen einzuladen, die den Raum als Ort des Glaubens wahrnehmen und als Möglichkeit zur Unterbrechung des Alltags. Wie das dann auch ganz praktisch aussehen kann, zeigte der Professor den Teilnehmern mit der meditativen Feier "Unterbrechung" in der Kirche "Zur heiligsten Dreieinigkeit". Zusammen mit Studierenden der Universität Halle gestaltete er eine Andacht, die die architektonischen Besonderheiten der frisch renovierten sechseckigen Kirche nutzte und die Teilnehmer mit einbezog.

Gotteshaus mit Einflüssen der Bauhaus-Architektur
Dass es sich bei dieser Franziskanerkirche um ein außergewöhnliches Bauwerk handelt, wurde den Teilnehmern des Tages der Akademie nicht erst beim Einzug in die Kirche deutlich. Gemeindemitglied Johannes Piskorz hatte vorher schon in einem Vortrag an die Entstehung des Gotteshauses (1929-1930) und an seinen Erbauer Wilhelm Ulrich (1890-1971) erinnert. Der Architekt von Wohnhäusern, Kaufhäusern und Kirchen hatte sich einem Prinzip verschrieben, wonach die Bauformen der Natur (zum Beispiel Bienenwaben) als Ausdruck guten Bauens galten. Ulrich habe für sich das Sechseck als "optimales Baumodell" erkannt und in einer "raffinierten Bauweise" auch mit Einflüssen der Bauhaus-Architektur die Kirche entworfen, berichtete Johannes Piskorz im Beisein des Architektensohnes, Pfarrer Michael Ulrich.
Neben diesem architektonischen Schatz gibt es im Bistum Magdeburg noch zahlreiche weitere, aber unbekannte Schätze zu entdecken, führte Erik Venhorst am Ende des Tages der Akademie aus. Der Bistumsbeauftragte für Kulturgut sprach in Anwesenheit des Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (CDU), über sein Inventarisierungsprojekt, bei dem er die Ausstattung von über 200 Kirchen und Kapellen des Bistums katalogisiert. Dass dabei einige bislang unentdeckte Schätze zum Vorschein kommen, zeigte er anhand zahlreicher Fotos: eine seltene Lederfahne, ein Chormantel, eine Bronzeglocke und ein Kelch aus dem zwölften Jahrhundert. "Das ist ein Beitrag zur Erinnerungskultur und zur Heimatgeschichte", sagte Erik Venhorst, und es biete "Möglichkeiten zur Öffentlichkeitsarbeit des Bistums und der pastoralen Arbeit".

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