"Es ist ein Selbstläufer geworden"
Familie Klose hat die Religiöse Kinderwoche aus ihrer Leipziger Heimat nach Essen exportiert
Leipzig. Seit 2005 verbringt eine Kinder- und Jugendgruppe aus Essen jährlich ihre Religiöse Kinderwoche (RKW) in Leipzig-Engelsdorf. Der Umzug einer Familie aus Sachsen in die Ruhrmetropole machte es möglich. Und sie etablierte eine dort vorher unbekannte ostdeutsche Tradition.
Dicke graue Wolken hängen tief über dem östlichen Leipziger Stadtteil Engelsdorf. Die Zelte der 35-köpfigen Gruppe aus Essen müssen stundenlangem Regen trotzen. Es ist kühl und am letzten Juli-Wochenende von Sommer keine Spur. Auf dem weitläufigen Gelände der Familie Sallat, das die Essener seit sechs Jahren für ihre Religiöse Kinderwoche (RKW) nutzen, haben sich die Kinder und Jugendlichen mit ihren Betreuern zur Kreativarbeit in die Häuser zurückgezogen. In den ehemaligen LPG-Gebäuden widmen sie sich gruppenweise der Figur des Paulus zum diesjährigen Thema "Von Land zu Land".
Die einen basteln Briefumschläge beispielsweise aus Kalendern mit Leipzig- oder Naturmotiven. Andere schreiben zusammen einen Brief an ihre Gemeinde in Essen. Wieder andere zeichnen auf großformatigem Papier eine Karte mit den Reisen des Paulus, die später in ihrer Essener Kirche aufgehängt werden soll. "Diese Verbundenheit zur Kirche und der Gemeinde gefällt mir gut", sagt Bettina Welling. "Das fehlt sonst häufig." An der RKW, die 2005 erstmals in der Essener Gemeinde ins Leben gerufen wurde, mag die 46-Jährige auch, "dass alle Altersgruppen zusammenarbeiten und eine tolle Gemeinschaft erleben".
So wie "Tante Betti" ist auch Martin van Halteren schon zum sechsten Mal bei der RKW dabei - und will jedes Jahr wieder nach Engelsdorf: "Mir ist noch nicht langweilig. Es gibt jedes Jahr ein anderes Thema, andere Spiele, andere Unternehmungen." Und aktuell nennt er als Beispiele den Besuch eines Erlebnisbades und eines Kletterparks sowie eine Rallye durch die Leipziger Innenstadt. Dann blickt der 15-Jährige zu seinem evangelischen Freund Paul Förder und meint: "Und die Gemeinschaft ist wirklich nett."
Zu verdanken haben die Essener die erfolgreiche Einführung der im alten Bundesgebiet eigentlich unbekannten RKW dem Zuzug der Familie Klose aus Leipzig. 1996 kamen Lydia und Matthias Klose mit ihrer kleinen Tochter Johanna der Arbeit wegen nach Essen. "Anfangs sind wir noch als RKW-Leiter bei unserer Engelsdorfer Gemeinde mitgefahren", erinnert sich die 38-jährige Mutter. "Aber später war es mit den unterschiedlichen Ferienzeiten zu schwierig." Alternativ habe es in der Essener St.-Hubertus-und-Raphael- Gemeinde im Herbst eine Woche Ferienfreizeit auf Ameland gegeben, "aber ohne einen religiösen thematischen Bezug", so Lydia Klose. "Da hatte ich nur Ferien und es fehlte mir ein Thema", bemerkte die engagierte Katholikin die RKW-Lücke.
Schließlich brachte Familie Klose die Idee einer eigenen Religiösen Kinderwoche in ihre Essener Gemeinde, traf auf aufgeschlossene Mitstreiter und setzte das Vorhaben 2005 auf dem großelterlichen Gelände in Leipzig-Engelsdorf um. "Aus früheren RKW habe ich mir jedes Jahr ein Thema und entsprechendes Material zusammengesucht", erklärt Lydia Klose ihre bisherige Vorbereitung. "In diesem Jahr aber habe ich Material für ein eigenes Thema gesammelt, den roten Faden für die RKW gesucht und alles kindgerecht übersetzt", denkt sie an ein Stationsspiel zum Thema Reisen, ein Labyrinth mit verbundenen Augen, eine Paulus-DVD oder gegenseitiges Briefeschreiben.
"Ich hatte erst Zweifel, ob diese religiöse Arbeit bei den Kindern ankommt", erzählt der Essener Bernhard Hartmann über die Vorbereitungen der ersten RKW vor sechs Jahren. "Mittlerweile bin ich gelassen. Es ist ein Selbstläufer geworden", freut sich der Messdienerleiter von St. Hubertus und Raphael, der die Teilnehmer jedes Jahr begleitet.
Von Uwe Naumann