Mehr als ein Anhängsel der Kirche von Mainz
Ein neues Buch zur Thüringer Kirchengeschichte zwischen 1785 und 1914
Wenn der Papst Deutschland besucht, dann steht mit dem Bistum Erfurt eines der jüngsten deutschen Bistümer im Mittelpunkt. Rechtzeitig zum Papstbesuch ist ein Buch erschienen, dass einen Teil der Geschichte der Katholiken in dieser Region beleuchtet.
"Die Beschäftigung mit der Thüringer Kirchengeschichte ist mir ein grundsätzliches Anliegen", sagt Dr. Arno Wand. Den Anstoß dafür lieferte die Feststellung, dass die katholische Kirche in dieser Region über viele Jahrhunderte hinweg nur als "Anhängsel der Kirche von Mainz" gesehen wurde. Die Folge ist bis heute, dass in der regionalen Kirchengeschichte eine große Lücke klafft. Diese schließen zu helfen, daran hat sich der Rektor und leitende Krankenhausseelsorger am Eichsfeld-Klinikum gemacht und sich bisher unter anderem mit den Anfängen des Christentums in Thüringen und mit Reformation und Gegenreformation im Eichsfeld beschäftigt. Eine weitere Lücke will Arno Wand mit seinem neuesten Buch schließen: "Die Katholische Kirche in Thüringen (1785-1914). Forschungen im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin" erschien im Heiligenstädter Cordier-Verlag und wurde jetzt vorgestellt (Seite 11).
In großem Umfang Archivmaterial erschlossen
Anlass der Veröffentlichung zum jetzigen Zeitpunkt ist der bevorstehende Papstbesuch: "Der Papstbesuch befl ügelt - so hoffe ich - auch das Interesse an der Kirchengeschichte der Region. Ich möchte mit meinem Buch dazu historisches Material liefern", sagt Wand. Und dazu hat der Kirchenhistoriker umfangreiches Archivmaterial gesichtet. Bei einer vorhergehenden Forschung entdeckte er eher zufällig, dass im Geheimen Staatsarchiv Berlin zahlreiche Akten lagern, die als Quellen für seine kirchengeschichtlichen Forschungen in Frage kommen könnten. Es folgte jahrelange Arbeit, durch die Wand diese Archivalien für die Thüringer Kirchengeschichte nutzbar gemacht hat.
Zu Beginn des in dem Buch untersuchten Zeitraums gab es katholische Kirche in Thüringen in der Folge der Reformation nur noch im kurmainzischen Eichsfeld und in Erfurt mit seinen Küchendörfern, wo der Mainzer Erzbischof seine Landeshoheit behaupten konnte, sowie im Reichsstift St. Cruscis in Nordhausen. Alle anderen Territorialherren im politisch zersplitterten Thüringen hatte die lutherische Reformation verpflichtend eingeführt.
Als 1802 die politischen Verhältnisse neu geordnet wurden, erhielt Preußen durch einen Vertrag mit Frankreich die kurmainzischen Gebiete in Thüringen sowie die Städte Mühlhausen und Nordhausen. "Von da an fi nden sich im Geheimen Staatsarchiv Berlin zahlreiche Nachrichten mit kirchlichen Bezügen", sagt Arno Wand. Der preußische Staat übertrug seine Gesetze auf die ihm zugefallenen katholischen Gebiete, was nicht konkfl ikfrei ablief. Auch die nach 1802 kompromisslos durchgesetzte Säkularisierung der Klöster und Stifte im Eichsfeld und in Erfurt "erweckte beim Klerus den Eindruck, man wolle die Kirche und ihre Institutionen ausbluten lassen". Erst durch ein Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhl und Preußen stabilisierten sich die Verhältnisse nach 1820. Das preußische Thüringen wurde dem preußischen Bistum Paderborn zugeordnet. Auch wenn es in den folgenden Jahrzehnten weiter zu Eingriffen der Staatsmacht in kirchliche Belange kam, "kann - abgesehen von den Schikanen während des Kulturkampes (1870-80) - nicht von einer von Staatswegen verfolgten katholischen Kirche die Rede sein", lautet Wands Fazit für diese Zeit.
Fülle von Details gibt Einblick in Situation vor Ort
Überrascht hat den Kirchenhistoriker die Fülle an Details in den Akten. "Es sind zwar zum größten Teil spröde Verwaltungsakten, aber da der preußische Staat alles reglementieren wollte, fi nden sich darin interessante Einblicke in die Situation vor Ort." Die Akten zeigen für Wand den Überlebenswillen einer Kirche in Zeiten großer Umbrüche. In diesem Zusammenhang überrascht ihn dann ebenfalls das soziale und karitative Engagement dieser Kirche gegen Ende des untersuchten Zeitraums, "das sich in einem gewissen Klosterfrühling manifestiert". Waren bis 1820 alle Klöster (außer die Ursulinen in Erfurt und Duderstadt) aufgelöst worden, kam es nun zu zahlreichen Neugründungen. In Heiligenstadt entstand 1860 mit den Schulschwestern sogar ein neuer Orden.
Mit seinem Buch hofft Arno Wand einen Beitrag zur religiösen Erinnerungskultur in Thüringen zu leisten. Das ist ihm wichtig, denn: "Katholische Kirche erweist sich in ihrer Unverwechselbarkeit als eine Konstante der Thüringer Landesgeschichte." (mh)
Hinweis
Arno Wand: Die Katholische Kirche in Thüringen (1785-1914). Forschungen im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz; Verlag F.W. Cordier, Heiligenstadt 2011; ISBN 978-3- 939848-29-5; Preis: 19,90 Euro.