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Mit dem Gesicht nach Mekka

Führung über Erfurter Hauptfriedhof zu muslimischer Bestattungskultur und Begräbnisriten

Erfurt. Seit dem Jahr 2000 gibt es auf dem Erfurter Hauptfriedhof ein muslimisches Grabfeld. Eine traditionelle Bestattung der Muslime wie in ihren Heimatländern wird in Thüringen allerdings durch das Bestattungsgesetz erschwert.

Das muslimische Grabfeld auf dem Hauptfriedhof in Erfurt stand im Mittelpunkt einer Veranstaltung von Katholischem Forum und Evangelischer Stadtakademie.

Etwa 50 Menschen sind an diesem sonnigen Tag zu einer Führung auf den Erfurter Hauptfriedhof gekommen. Thema der vom Katholischen Forum im Land Thüringen und der Evangelischen Stadtakademie "Meister Eckhart" Erfurt initiierten Veranstaltung: "Das muslimische Begräbnis". Jens Kratzing, Leiter des Garten- und Friedhofsamtes der Stadt Erfurt, führt die Gäste über das riesige parkähnliche Gelände hin zum muslimischen Grabfeld. Nebenbei informiert er unter anderem darüber, dass 1866 der erste muslimische Friedhof in Deutschland durch die Umbettung muslimischer Diplomaten in Berlin entstand.

Nach etlichen hundert Metern hat die Gruppe ihr Ziel erreicht: eine unscheinbare Wiese, die erst bei genauerem Hinsehen ihre Besonderheit verrät. Lediglich Äußerlichkeiten wie Grabtafeln statt Grabsteinen sowie die darauf geschriebenen Namen deuten darauf hin, dass hier Anhänger des Islam begraben liegen. Die exakte Ausrichtung der bislang 16 Grabstellen mit ihrer Längsseite nach Mekka fällt dabei nicht weiter auf. Neben den Äußerlichkeiten sind es aber vor allem die Begräbnisriten, die eine muslimische Bestattung so anders machen als eine christliche, zum Beispiel dass Frauen nicht daran teilnehmen dürfen.

"Es ist ein komplett anderes Arbeiten für uns", bestätigt Bestattungsunternehmer Alexander Friebe, "und es ist ein ganz anderes Abschiednehmen." Friebe hat schon mehrere muslimische Begräbnisse organisiert und weiß beispielsweise um den Zeitdruck, den Toten bestenfalls innerhalb von 24 Stunden zu beerdigen. "Doch wie kriege ich die Papiere für die Bestattung so schnell?", berichtet Friebe über einen "aufreibenden Punkt" seiner Arbeit. In der Regel vergingen zwei bis drei Arbeitstage.

Am Tag der Bestattung werde der Tote einer rituellen Waschung durch Angehörige unterzogen, erklärt Imam Abdullah Dündar den Ablauf vor der Beisetzung. Als Leiter des Internationalen Islamischen Kulturzentrums "Erfurter Moschee" und der Erfurter islamischen Gemeinde sei er froh, dass eine dafür notwendige "Waschanlage" auf dem Hauptfriedhof zur Verfügung stehe.

Nach der Waschung werde der Tote in weiße Tücher gekleidet, in einen Halbsarg gelegt und auf den Schultern zum Grabfeld getragen, führt Imam Dündar weiter aus. Dann werde für ein paar Minuten ein Totengebet gesprochen, der Tote aus dem Halbsarg genommen und im vorbereiteten Grab beigesetzt. Dabei liege die lediglich in Tüchern gekleidete Leiche auf der Seite und mit dem Gesicht nach Mekka. So laufe das Begräbnis zumindest in muslimischen Ländern ab. In Erfurt dagegen wird der Sarg mit dem Auto ans Grab gefahren, die Leiche nicht aus dem Sarg herausgenommen, sondern mit Sarg im Grab beigesetzt - so schreibt es das Thüringer Bestattungsgesetz vor. "In manchen Bundesländern ist eine Bestattung in Tüchern aber möglich", ergänzt Friedhofsamtsleiter Jens Kratzing.

Ein noch ungeklärtes Problem ist die Laufzeit der muslimischen Grabstellen. Ein Muslim dürfe nicht in der Erde eines anderen Muslimen begraben werden, sagt Imam Abdullah Dündar und meint damit, dass keine der Grabstellen eingeebnet und neu vergeben werden dürfe. Kratzing sieht dabei zunächst keine Gefahr: "Wir haben hier absolut keine Platzprobleme", beruhigt der Friedhofschef. "Wie die Verlängerung der Grabstätten einmal aussieht und ob dann noch Verwandte da sind, das wird sich zeigen. Wir lassen es auf uns zukommen."

Von Uwe Naumann