Anstoß
Der Neid des Teufels
Das alttestamentliche Buch der Weisheit spricht vom "Neid des Teufels". Was ist dieser Neid des Teufels? Darüber macht sich Dominikanerpater Bernhard Kohl Gedanken.
Klar auf der Hand liegt: Der Mensch ist das unvergängliche Ebenbild Gottes. Was diese Sicht von den Menschen und jedes einzelnen Menschen bedeutet, können wir in den ersten drei Kapiteln der Genesis nachlesen. Wir sind geschaffen, Gott zu dienen, indem wir ihn und unseren Nächsten in Freiheit und Freude lieben. Häufig führen wir aber kein sehr gottebenbildliches Leben, wählen Unfreiheit und den Schmerz und halten den Preis, den wir für unsere vermeintliche Unabhängigkeit von Gottes Auftrag zahlen müssen, nicht für zu hoch: Wir verlieren unsere von Gott geschenkte Unvergänglichkeit. Das Buch der Weisheit hat nun eine ganz eigene Erklärung, wie es zum Verlust unserer Gottebenbildlichkeit und damit unserer Unvergänglichkeit kommen kann: der Neid des Teufels trägt die Schuld daran! Eine seltsame Erklärung, einfach mit dem Teufel zu kommen. Vielleicht kann man diese biblische Ausdrucksweise so verstehen: Den Teufel ernst zu nehmen bedeutet, die ganze und unheimliche Freiheit des Menschen ernst zu nehmen. Wenn man es einmal etwas salopp formuliert: Der Teufel war in der mythischen Sprache der Bibel ein Engel, der sich sogar im Paradies die Freiheit nahm, zur Hölle zu fahren. Und so, sagt das Buch der Weisheit, wird es jedem gehen, der nicht ernst nimmt, wozu er als Ebenbild Gottes bestimmt ist: Gott und den Nächsten in Freiheit zu lieben. Jeder Mensch kann die Entscheidung treffen, für sich alleine zu leben und sich einen Teufel um Gott und die anderen scheren. Und jeder hat die Freiheit, die sich daraus ergebenden trostlosen Konsequenzen zu erfahren: die Hölle auf Erden für sich und für andere. Aber wo es solche Trostlosigkeit, wo es diese Hölle auf Erden gibt, da muss es auch Hoffnung geben. Denn wo Trostlosigkeit ist, da ist auch der, der der Ursprung aller Hoffnung ist, oder wie es im Psalm 139 heißt: "Bette ich mich in der Unterwelt, bist du zugegen." Es scheint, als gäbe es keine Tiefe, in der Gott nicht zu finden ist. Vielleicht wird nicht einmal der Teufel selbst ihm lange widerstehen können und mit seinem Streben nach Lösung von Gott erfolglos sein. So erklärt sich auch, wieso das Buch der Weisheit vom Neid des Teufels spricht. Denn was ist Neid anderes, als der brennende Wunsch, jedermann möge so erfolglos sein wie wir selbst.
Pater Bernhard Kohl OP, Leipzig