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Nähe und Respekt

Im Gespräch mit Ordensleuten Teil sechs: Gemeinschaft leben

Leipzig. Wie kann es in einer Gemeinschaft gelingen, dass sich jedes Mitglied entfalten kann? Die Leipziger Dominikanerin Schwester Angela Hennes erzählt von ihren Erfahrungen.

Von Dorothee Wanzek

"Unser Blick ist nicht in erster Linie auf die Mitschwestern gerichtet, sondern auf Christus, dem jede von uns nachfolgen will", sagt Schwester Angela. Dass sich junge und alte Frauen mit unterschiedlichsten Lebensgewohnheiten, sozialen und kulturellen Prägungen auf Dauer miteinander wohlfühlen, könnte sie sich ohne diese Voraussetzung nicht vorstellen. Trotz des tragfähigen Fundaments sei eine lebendige Gemeinschaft kein Selbstläufer, sondern müsse immer wieder errungen werden. "Bemühen geht vor Gelingen" lautet dabei einer der Grundsätze der Dominikanerin. "Dieses Bewusstsein hält uns zusammen und erzeugt Achtung voreinander".

Eine gelingende Gemeinschaft brauche "Zeiten und Zeit", hält Schwester Angela Hennes für wichtig. Das Abendessen ist bei den Leipziger Dominikanerinnen beispielsweise ein täglicher Treffpunkt, bei dem sie sich über das Erlebte austauschen. Donnerstags gibt es in der Regel eine Informationsrunde, in der jede sagt, was sie in der folgenden Woche vorhat. Einmal monatlich nehmen sich die sechs Schwestern Zeit, ihr Miteinander in den Blick zu nehmen. Den Samstag gestaltet jede für sich allein. An diesem Tag gibt es keine gemeinsame Liturgie und kein gemeinsames Essen. Jede tut das, was ihr hilft, den Akku wieder aufzuladen, um sich an den übrigen Tagen mit voller Kraft in die Gemeinschaft und für ihre Aufgabe einbringen zu können. Angela Hennes geht gerne in die Stadt, andere nutzen die Zeit zum Lesen, Radfahren oder zur Gartenarbeit. Manchmal genüge es allein zu wissen, man könnte diesen Tag für sich planen, erzählt die Dominikanerin.

Als äußerst förderlich für die Gemeinschaft erlebt sie die gemeinsame Aufgabe, der sich die Leipziger Schwestern seit einem Jahr widmen. Im Stadtteil Volkmarsdorf haben sie Ladenräume angemietet für das "Treff.komm", eine Art Sozialcafé mit unterschiedlichsten Begegnungsangeboten und den Musikraum La Taste, in dem Schwester Hellena Kinder unterrichtet.

In vielerlei Hinsicht lebe Gemeinschaft vom Einüben, findet Angela Hennes. Zum Beispiel arbeiteten die Schwestern daran, dass jede mit ihren Ideen und Talenten vorkommt, aber keine die anderen dominiert, dass reden und zuhören sich in etwa die Waage halten, dass die Älteren die Jüngeren nicht bemuttern, dass man zueinander steht, auch wenn man sich auf die Nerven geht oder dass man einander korrigiert, ohne zu verletzen. Besonders herausfordernd in dieser Hinsicht war für Schwester Angela das Noviziat, das sie gemeinsam mit sechs anderen Schwestern im Alter zwischen 19 und 43 Jahren absolvierte. Die damals 33-Jährige Rheinländerin hatte als Sozialpädagogin zuvor bereits einige Jahre lang ihre Frau im Berufsleben gestanden...

werden Die Dominikanerinnen von Bethanien pflegen einen demokratischen Stil, erzählt Schwester Angela. Bei allen wesentlichen Entscheidungen werde im Konvent geredet, bis alle übereinkommen. Das dauere zwar mitunter lange, habe aber den Vorteil, dass alle die getroffenen Beschlüsse aus ganzer Überzeugung mittragen können.


Ihr Talent, gestalterisch am Computer zu arbeiten haben ihre Mitschwestern entdeckt: Schwester Angela Hennes. Bevor sie 2002 nach Leipzig kam, arbeitete im Kinderdorf des Ordens in Bergisch Gladbach.


Als "Geschenk der Gemeinschaft" empfindet Schwester Angela insbesondere das positive Korrektiv durch die Mitschwestern. "Das fordert mitunter etwas ab, man muss auch zurückstecken können, aber es ist unglaublich hilfreich", hat sie in ihrem bisherigen Ordensleben immer wieder erfahren. Ihr tue es gut, hin und wieder von anderen "angeschubst" und daran erinnert zu werden, wofür sie sich einst entschieden hat. Dabei hat sie das Vertrauen, dass kritische Worte, die innerhalb der Gemeinschaft fallen, nicht weitergetragen werden. Schön sei es auch, wenn im Zusammenleben der Schwestern bisher unbekannte Talente zutage träten, findet Schwester Angela. Sie selbst etwa habe immer gern gezeichnet. Ihr Talent, gestalterisch mit dem Computer zu arbeiten, haben ihre Mitschwestern entdeckt - und profitieren nun auch davon, denn sie gestaltet unter anderem die Weihnachtskarten der Leipziger Dominikanerinnen und Infoflyer für Treff.komm und La Taste. Angela Hennes fühlt sich angenommen in ihrem Konvent in der Leipziger Eisenbahnstraße. "Ich komme gerne nach Hause. Wenn es anders wäre, würden das auch Außenstehende schnell spüren", ist sie überzeugt.

Wer sich angenommen fühlt, bekommt Kraft, sich anderen Menschen liebevoll zuzuwenden - Diese Erfahrung hätten vor über 100 Jahren in Frankreich auch die ersten Dominikanerinnen von Bethanien, zum Teil ehemalige Strafgefangene, gemacht. Ein Grundsatz, der den Schwestern damals wichtig war, gilt bis heute: "Der Ordenseintritt ist der erste Tag eines neuen Lebens. Niemand hat das Recht, andere danach zu fragen oder zu beurteilen, was sie zuvor gemacht haben." Ausdruck glaubwürdig gelebten Christentums ist dieser Grundsatz für Angela Hennes. Dass sie sich vor 25 Jahren ausgerechnet für die Dominikanerinnen von Bethanien entschieden hat, hänge auch damit zusammen, dass ihr die Vertreterinnen dieses Ordens so authentisch und glaubwürdig erschienen waren: "Sie haben sich so gezeigt, wie sie waren, auch mit ihren Ecken und Kanten."

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