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"Ich fühle mich fast wie zu Hause

Auf dem Weg zu deutsch-polnischer Verständigung

Forst/Guben. Vor Weihnachten sind die Grenzkontrollen zwischen mehreren europäischen Ländern entfallen. An der Lausitzer Neiße gibt es Zeichen der Hoffnung.

Brücken über die Lausitzer Neiße verbinden Deutsche und Polen seit JahresendeVon Thomas Backhaus

"Es wird normal werden", prophezeit Bernhard Walter. Der langjährige Pfarrer der Kirchengemeinde Forst meint das Leben diesseits und jenseits der Neiße nach dem Wegfall der Grenzkontrollen. Pfarrer Walter und seine Gemeinde haben nach der politischen Wende gute Erfahrungen mit den polnischen Nachbarn gemacht. Forst habe zwar keine unmittelbare Nachbarstadt jenseits der Neiße wie Guben oder Görlitz. Zu den katholischen Kirchengemeinden im benachbarten polnischen Brody und Lubsko gibt es jedoch schon lange Zeit Kontakte. "Ich fühle mich fast wie zu Hause", beschreibt der 74-jährige Geistliche die Situation, wenn er in den polnischen Pfarrhäusern zu Gast ist. "Es ist ein sehr gutes Verhältnis", ergänzt der gebürtige Schlesier. Gemeinsame Maiandachten, Fahrradtouren und Sammelaktionen für karitative Zwecke sind mit der deutschen und den polnischen Gemeinden möglich geworden, seitdem 2002 die neue Neißebrücke fertiggestellt werden konnte.

Dabei geht der Brückenbau weiter: Forst will die alte Stadtbrücke über die Neiße, die zum Kriegsende gesprengt wurde, wieder aufbauen. Weiter südlich der Stadt wird es eine neue Brücke bei Zelz ins polnische Nachbarland geben. Das "Manchester des Ostens" wie Forst früher wegen seiner Tuchindustrie genannt wurde, braucht nach dem großen Einwohnerverlust der letzten Jahre ein neues Selbstverständnis.

33 Kilometer weiter Neiße abwärts liegt die Doppelstadt Guben/ Gubin. Hier wurde am Tag des Wegfalls der Grenzkontrollen gefeiert: Deutsche und Polen mit Folklore und Feuerwerk, Festempfang und Ansprachen. "Eine neue Fußgängerbrücke von der deutschen Seite zur Theaterinsel wurde eingeweiht", berichtet Uwe Aschenbrenner. Der Pfarrer der katholischen Kirchengemeinde Guben war mit seinem evangelischen Amtsbruder dazu eingeladen. "Auf polnischer Seite wurde die Brücke zur Neißeinsel schon fertiggestellt." Politprominenz weihte die neue Buslinie Cottbus - Zielona Góra /Grünberg ein.

Doch die Christen von Guben / Gubin stehen dem nicht zurück. "Lichter an der Neiße", so Pfarrer Aschenbrenner, "leuchteten zum 19. Mal in Folge in Guben". Von kirchlicher Seite findet seit 1989 jeweils am zweiten Weihnachtsfeiertag abwechselnd mit dem polnischen Nachbarn ein ökumenischer Wortgottesdienst in Deutsch und Polnisch statt. Anschließend gibt es eine Lichter-Prozession zum Grenzfluss Neiße. 200 bis 300 Christen nehmen im Durchschnitt daran teil. "In den ersten Jahren waren es bis zu 2000 Menschen", erinnert sich der Ortspfarrer. Zukünftig wolle man überlegen, ob eventuell ein ökumenischer Kreuzweg am Palmsonntag die Menschen der beiden Städte noch mehr zusammenführen könne. Wenn Christen beiderseits der Lausitzer Neiße dabei das "Vater unser" in Deutsch und Polnisch beten, so ist das ein starkes Zeichen: Eine alte Wunde beginnt zu heilen. Es wächst ein Stück Europa.

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