Eine gute Gelegenheit
Die Erfurter Pastoraltheologin Maria Widl über das Weihnachtsmarkt-Projekt "Folge dem Stern
Frau Professor Widl, was ist die wichtigste Erfahrung Ihres Weihnachtsmarkt-Projektes?
Die wichtigste Erfahrung ist: Man kann Menschen auf dem Weihnachtsmarkt nicht nur "bespaßen", sondern man kann sie durchaus mit ernsthaften Dingen wie der christlichen Botschaft konfrontieren.
Ist ein Weihnachtsmarkt also eine pastorale Chance?
Das zu sagen, wäre übertrieben. Aber der Weihnachtsmarkt bietet einen sehr günstigen Zusammenhang, in dem man Menschen mit dem Christlichen in Berührung bringen kann, die ansonsten mit Kirche nichts zu tun bekommen.
Wie hoch war denn der Anteil der Nichtchristen unter den Menschen, die zu ihren Angeboten gekommen sind?
Das konnten wir nicht immer feststellen, weil wir durch entsprechende Befragungen die Projekte kaputt gemacht hätten. Wo es aber möglich war, die Menschen danach zu fragen, haben wir festgestellt, dass der Anteil der Christen im Verhältnis zum Anteil der Christen in der hiesigen Gesellschaft schon überproportional hoch war. Das liegt daran, dass der Erfurter Weihnachtsmarkt von sehr vielen Touristen aus westlichen Regionen besucht wird. Diese sind zwar in größerer Anzahl getauft als Ostdeutsche, das sagt aber noch nichts darüber aus, ob sie etwas mit Kirche zu tun haben. Keinesfalls haben wir nur Leute erreicht, die sich auch ansonsten sehr stark am kirchlichen Leben beteiligen. Es gab beispielsweise auch Erfurter, die vorher in ihrem Leben noch nie in der Severi- oder in der Allerheiligenkirche waren, weil diese ja immer so verschlossen aussehen.
Sie hatten ja eine Vielzahl von Angeboten - von der Information an der Krippe über musikalische Angebote bis zum Adventssegen. Was war denn besonders gelungen?
Zu meinem Erstaunen war jedes Projekt gelungen. Bei jedem kann man aber auch sagen, würde man es im nächsten Jahr wiederholen, müsste man es weiterentwickeln. Das gilt zum Beispiel für die Formulierung aller Texte. Man darf nicht vergessen, dass alle Projekte in sehr kurzer Zeit entstanden sind.
Ein Beispiel für notwendige Weiterentwicklung ist das Projekt an der Krippe: Ursprünglich hatten die Studierenden ein Quiz für Kinder geplant. Wir wollten aber nicht nur Kinder ansprechen, um nicht auf die Schiene zu geraten, dass Glaube Kindersache ist und wir Märchenerzähler sind. Spuren der Kinderquiz-Idee haben sich aber bis zuletzt erhalten. Hier müsste man bei einer Wiederholung noch einmal konsequent daran arbeiten. Beim Krippen-Projekt haben wir auch festgestellt, dass viele Erwachsene nicht in der Lage sind, sich die Informationen durchzulesen und sie dann den Kindern weiter zu geben. Bei einer Wiederholung wird es eine eigene Kindervariante geben müssen.
Wird es denn eine Wiederholung geben?
Zusammen mit meiner evangelischen Kollegin will ich im nächsten Studienjahr eine Fortsetzung als Uni-Seminar anbieten. Dabei wollen wir die Projekte weiterentwickeln. Und wir wollen versuchen, die Aktion als Kooperation zwischen Uni und Kirchengemeinden anzubieten.
Können denn auch Pfarrgemeinden anderswo ein solches Projekt auf dem Weihnachtsmarkt durchführen?
Ja, natürlich. Eine solche Aktion als Uni-Projekt zu beginnen, ist allerdings einfacher. Erstens bekommt man für Studenten-Projekte relativ leicht Sponsoren. Zweitens kann ein Studenten-Projekt auch mal schiefgehen. Während eine Pfarrgemeinde, die mit einem solchen Projekt scheitert, sich gleich blamiert und so etwas so schnell nicht wieder wagen wird. Andererseits ist ein Studentenprojekt schwierig, insbesondere weil die Zeit sehr knapp ist, denn man kann so etwas nur als Semesterveranstaltung anbieten. Außerdem haben Studenten neben ihrem Studium noch ein anderes Leben, so dass man nicht erwarten kann, dass sie ihre ganze Zeit auf dem Weihnachtsmarkt verbringen. Pfarrgemeinden hätten hier weniger Schwierigkeiten. Sinnvollerweise würde man so ein Weihnachtsmarktprojekt in Zusammenarbeit mehrerer Gemeinden organisieren. So könnte ein solche Aktion dann auch in jedem Jahr wiederholt werden.
Fragen: Matthias Holluba