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Sprachkurs Ökumene

Anstoß

Guido Erbrich meint: Christen sollten sich katholischer verstehen und evangelisch sprechen.
Guido Erbrich, Bautzen"Wann spricht der denn mal evangelisch?" Meine fünfjährige Tochter war enttäuscht, der befreundete evangelische Pastor war gegangen. Nun war er weg und sie hatte kein einziges evangelisches Wort aus seinem Munde gehört. Klar, es gibt Englisch, Russisch, Französisch, Polnisch, da muss doch auch Evangelisch irgendwie anders klingen.

Erklären Sie mal einem aufgeweckten Kind, dass Evangelisch nicht die Sprache ist, die in "Evangelistan" gesprochen wird. Nein, der Pastor spricht genauso wie wir, obwohl er nicht katholisch ist. Der Gedanke hat schon etwas fröhlich Visionäres: Alle Christen sprechen eine Sprache. Sie verstehen sich und diese Sprache führt sie sicher durch das Leben. So wie es Pfingsten schon einmal funktioniert hat. Wenn alle sich im Geiste des Evangeliums verstehen - ist das dann evangelisch?

Da wir das Wort "katholisch" mit gutem Grund für die allgemeine und umfassende Kirche Christi benutzen und dabei weit über ein römisch-katholisches Konfessionsverständnis hinausgehen, wäre dann nicht "evangelisch" eine wunderschöne Bezeichnung für Menschen, die nach dem Evangelium leben?

Dieses "Evangelisch" könnte eine Sprache sein, in der Wort und Tat zusammenklingen; eine Sprache, die das Evangelium ins Heute hinein sagt. Und die könnten Methodisten und Baptisten genauso gut sprechen wie Katholiken, Orthodoxe und die evangelischen Christen. Diese Sprache wäre der Wind, den die Ökumene braucht, um wieder in Fahrt zu kommen. Denn im Moment bewegt sie sich doch in vielen Orten recht schwerfällig.

Zurück zum angeblich nicht "evangelisch" sprechenden Pfarrer. Vielleicht sind wir uns über die Konfessionsgrenzen hinaus schon so nahe, dass es richtig schwer ist, eine andere Sprache zu erkennen. Das wäre die optimistische Variante der Geschichte. Unser christliches Pfingsten hat still und leise stattgefunden und wir verstehen uns im Großen und Ganzen sehr gut. Es fällt kaum noch auf, dass es da im Lehrgebäude der Kirchen einige Unterschiede gibt. Für das alltägliche Leben als Christen in unserer Welt haben diese Unterscheidungskriterien, so wichtig und gravierend sie theologisch sind, kaum eine Bedeutung. Wir nutzen unsere Gemeinsamkeiten und haben genug Humor oder Glaubensweisheit, uns nicht durch gegenseitige Spitzfindigkeiten Steine auf den Weg des Glaubens werfen zu lassen.

Dann sprechen wir Katholiken genauso gut "Evangelisch", wie diese "Katholisch" verstehen. Uns eint viel mehr als uns trennt. Über alle Differenzen hinweg wissen wir, dass "ökumenisch leben" zu den Grundvollzügen der Kirche gehört. Es ist kein Zusatzprogramm. Wenn wir das verinnerlicht haben, gewinnen wir daraus auch die Kraft, diese Erde gemeinsam zu verändern; eine Kraft, die in unseren Breiten zur Zeit der ersten Ökumenischen Versammlung und der Friedlichen Revolution schon einmal glänzend aufgeblüht ist.

Leider gleicht mancherorts unser ökumenischer Garten eher einer Kleingärtnersparte. Dagegen hilft nur ein Rezept: Wir Christen sollten uns wieder mehr "katholisch" verstehen und "evangelisch" sprechen. Sonst geht es uns wie dem kleinen Jungen, der von seiner Kindergartenfreundin gefragt wird: "Bist du auch katholisch?" "Nein", antwortet der Kleine, "ich habe eine andere Konfrontation".

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