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Gott in jeden Winkel leuchten lassen

Interview mit Bischof Joachim Reinelt zum Jahresschwerpunkt "Bußsakrament

Dresden. Das Sakrament der Versöhnung ist im Bistum Dresden-Meißen zum Schwerpunktthema des Jahres 2008 erklärt worden. Bischof Joachim Reinelt erläutert im Interview, worauf es ihm dabei ankommt.

Das Sakrament der Beichte wiederbeleben: Eine Jugendliche beichtet in einer Messehalle beim Weltjugendtag in Köln

Wie oft sitzen Sie, Herr Bischof, als Beichtvater im Beichtstuhl? Das ist relativ selten. Ich glaube, dass es für manche nicht so sehr ermutigend ist, wenn ich dort sitze. Menschen, die weniger vertraut im Umgang mit mir sind, schrecken wohl etwas vor der bischöflichen Autorität zurück. Diejenigen, die mich eher als Bruder kennen, tun sich offenbar leichter, bei mir zu beichten.

Warum sollten Katholiken beichten gehen, selbst wenn sie keine schwere Schuld auf sich geladen haben?

Weil Gott uns einlädt, dass wir seine Güte und Barmherzigkeit spürbar annehmen. Es ist eigentlich komisch zu fragen, wann muss ich zur Beichte gehen. Ich gehe ja nicht, weil es unbedingt sein muss, sondern weil Gott mich einlädt. Ich möchte keine Geheimnisse vor Gott haben, sondern sein Licht in jeden Winkel meines Lebens, meiner Existenz, hineinleuchten lassen.

Woher rührt die Krise des Bußsakraments in Deutschland?

Das hängt sicher mit dem modernen Selbstverständnis zusammen. Viele meinen, dass sie alle persönlichen Dinge allein mit sich selbst und mit Gott klar machen können. Dabei hat Gott ja die Sakramente den Menschen anvertraut. Man kann sich nicht selber taufen, man kann sich nicht selber firmen, man kann sich auch nicht selber die Lossprechung geben. Auch das Bewusstsein für Schuld und Sünde ist ins Wanken geraten. Man denkt, dass alles, was man tut, korrekt wäre - wozu braucht man da überhaupt noch einen Gott, der einem vergibt?

Da stellt sich die Frage: Was ist denn überhaupt Sünde?

Sündigen ist: viel zu viel an sich selbst denken, den anderen viel zu wenig begeisterte Liebe schenken, viel zu wenig Aufmerksamkeit für andere haben, viel zu sehr um sich selbst kreisen in allen Fragen des Lebens, viel zu wenig Solidarität üben und denen nicht helfen, die einen brauchen, sie nicht verstehen, nicht auf sie hören... Der beste Beichtspiegel ist das Evangelium. Wer sagt "Ich sündige nicht", macht im Grunde Gott zum Lügner (siehe 1 Joh. 1,10).

Wer das Vaterunser betet, bittet Gott um Vergebung. Zu Beginn jeder heiligen Messe steht das Schuldbekenntnis. Erübrigt sich die Beichte damit nicht?

Das ist eine berechtigte Frage. Selbstverständlich vergibt Gott auch denen, die Reue zeigen und neu anfangen wollen. Er hält sich nicht zurück bis zur Beichte. Die Sakramente der Kirche sind eine Vervollkommnung dessen, was Gott an den Menschen tut. Die Beichte ist eines dieser ganz kostbaren Geschenke Gottes an die Menschheit.

Wie oft beichten Sie denn selbst?

Monatlich.

Würden Sie das als Faustregel für andere Christen empfehlen?

Das sollte wirklich jeder für sich selbst entscheiden. Die Krise, die manche mit ihrer Beichte erleben, hat auch ihr Gutes. Man hat vielleicht früher die Beichte etwas zu sehr gewohnheitsmäßig verrichtet. Heute empfangen viele das Bußsakrament bewusster, wenn sie sich von ihrer Schuld reinigen lassen wollen, sie erleben es als tiefe Begegnung mit Gott. Das ist durchaus ein positiver Ansatz.

Oft wird behauptet, dass es mehr Psychotherapeuten geben müsste, wenn es die Beichte nicht gäbe ...

Das ist sicher richtig. Denn der Beichtvater hat ja nicht die Rolle eines Richters, sondern eines Bruders, der versteht, der heilt, der hilft. Gott will heilen und retten und nicht verdammen. Nicht jeder, der Bedrückendes erlebt, braucht sofort Psychotherapie. Er braucht jemanden, der ihn stützt, der zu ihm steht, sein Versagen versteht und verzeiht. Ich denke, dass in den Beichtstühlen jahrhundertelang viel Rettendes und Heilendes geschehen ist. Ich habe kürzlich die beiden Beichtstühle in der Dresdner Frauenkirche gesehen. Die meisten Leute wissen nicht, dass es die Beichte auch in der evangelischen Kirche gibt. Luther hat ja auch sein Leben lang gebeichtet.

Was erhoffen Sie sich davon, die Beichte im Bistum Dresden- Meißen als Jahresschwerpunkt zu setzen?

Es gibt einen inneren Zusammenhang zur Taufe, die wir im vergangenen Jahr im Blick hatten: Nach der Taufe bleibt man nicht sein Leben lang heilig, man ist immer wieder in der Versuchung, seine Freiheit auszunutzen, schwach zu werden, Böses zu tun. Man kann sagen - das will ich auch in meinem Hirtenwort zu diesem Jahresthema ins Bewusstsein rufen -, dass im Augenblick der Lossprechung der Zustand der Taufgnade wieder erreicht ist. Ich hoffe, dass in den Gemeinden über das Impuls- Hirtenwort gesprochen wird, dass Gemeindemitglieder mit den Fragen, die sie bewegen, nicht allein bleiben, sondern dass sie Hilfe bekommen, die Beichte zu kultivieren. Explosionen darf man sich von solch einem Pastoraljahr sicher nicht erwarten. Für Wachstumsprozesse braucht es Geduld. Wichtiger als die Zahl der Beichten ist mir die Vertiefung.

Fragen: Rafael Ledschbor (Katolski posol)

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