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DDR schuf den Nährboden

Ein ökumenisches Forum in Dresden fragte nach den Wurzeln für Fremdenfeindlichkeit

Dresden (tg). Um das Thema Fremdenfeindlichkeit ging es beim zwölften ökumenischen Forum der Institute für Katholische und Evangelische Theologie der Technischen Universität Dresden.
Der Rechtsextremismus im Osten Deutschlands hat für den Kirchenhistoriker Gerhard Lindemann nicht nur soziale Ursachen. Neben Arbeitslosigkeit und dem Verlust des Status in der Gesellschaft macht er auch Ideologie und Erziehung in der DDR dafür verantwortlich. Nach seiner Auffassung hat sie zumindest den Nährboden bereitet, auf dem Fremdenfeindlichkeit wachsen konnte. Schon in den 1980er Jahren habe es in der DDR Attacken von Skinheads gegen Punks und Zerstörungen auf jüdischen Friedhöfen gegeben, sagte er auf einem ökumenischen Forum, das die Institute für Evangelische und Katholische Theologie der Technischen Universität Dresden organisiert hatten.

Die offizielle Theorie beispielsweise, die den Faschismus als extreme Form des Kapitalismus darstellte, habe den einzelnen DDR-Bürger von einer Mitschuld entlastet, sagte Lindemann, der als Privatdozent in Dresden tätig ist und auch am Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung arbeitet. Der Alltag im Nationalsozialismus, Mentalitäten wie Untertanengehorsam, die Sehnsucht nach einem starken Führer, seien zu wenig berücksichtigt worden. Der antifaschistische Widerstandskampf wurde herausgehoben. Ausgeblendet hingegen der besondere Stellenwert des Antisemitismus wie auch die anderen NS-Opfer, etwa Sinti und Roma, Zeugen Jehovas, Asoziale, Homosexuelle.

Erziehung zum Hass auf die "Feinde des Friedens" im Westen nannte Lindemann als folgenreiche Tatsache. Ebenso die vormilitärische Ausbildung, die Menschen an Gewalt als Mittel zur Konfliktlösung gewöhnt habe. Zwar räumte er ein, dass der Wehrkundeunterricht nicht besonders beliebt war. "Dennoch wurden durch die Erziehung Disziplin, Bereitschaft zum Opportunismus und Gehorsam gefördert."

Die seit Beginn der 1980er Jahre in die DDR geholten mehr als 90 000 Vertragsarbeiter, etwa aus Vietnam, Ungarn, Kuba, Mosambik seien in Wohnheimen isoliert worden. "Das hat Kontakte zu ihnen verhindert, was zu Misstrauen ihnen gegenüber in der Bevölkerung führte."

Der Kölner Religionspädagoge Dietrich Zilleßen plädierte dafür, die Achtung des Fremden zum Prinzip des Handelns zu machen. Viele definierten die eigene Identität durch Ausschluss des Fremden, das als bedrohlich empfunden werde, sagte er. "Wir schreiben dem Fremden zu, was wir selbst nicht sein wollen." Dies habe mitunter fundamentalistische Züge. "Für mich ist nicht links oder rechts die Frage, sondern: Wie wird man radikal?" Als Alternative zu strikter Abgrenzung empfahl er eine "kommunikative Schwellenkultur". Sie ermögliche eine Beziehung und einen Dialog, bei dem man dem Fremden respektvoll begegnet, ohne seinem Anderssein unbedingt zustimmen zu wollen. Es bedürfe auch einer "Ethik der Differenz". "Die Schwelle macht die Grenze nicht zur Demarkationslinie, sondern zur Berührungszone."

Der Umgang mit dem Fremden muss nach seiner Ansicht beim Eigenen beginnen. Werde das Bild, dass man sich vom Fremden macht, mit dem realen Fremden verwechselt, so sei dies eine "fundamentalistische Selbstbemächtigung". Vielfalt in der eigenen Religion indes befähige zum Dialog mit anderen Religionen, sagte Zilleßen. "Wer das eigene Fremde wahrnimmt, kann dem Fremden in der Welt begegnen."

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