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Das Unannehmbare annehmen

Wege zur Versöhnung - Tag des Herrn-Fastenaktion mit P. Anselm Grün

Versöhnung mit meiner eigenen Lebensgeschichte ist der Beginn für ein geglücktes Leben.
Teil 2 der Tag des Herrn-Fastenserie.

Das Schwierigste ist wohl, sich selbst zu vergeben. Wenn wir einen Fehler gemacht haben, machen wir ihn uns oft noch zum Vorwurf. Wir kreisen ständig um unser Versagen. Wir denken darüber nach, was wohl die andern über uns denken. Wir zerbrechen uns den Kopf darüber, warum uns dieses Missgeschick passieren konnte oder warum wir nicht besser aufgepasst haben. Es braucht nicht immer Schuld zu sein, die wir uns nicht vergeben können. Oft genug sind es einfach Fehler, Versagen, Missgeschicke, Versäumnisse, die uns widerfahren.

Zuerst: Sich selbst vergeben lernen

Warum fällt es uns so schwer, uns selbst zu vergeben? Offensichtlich gibt es in uns die Illusion, als ob wir unser Leben lang mit einer weißen Weste herumlaufen könnten. Und wir möchten vor uns selbst und vor andern gut dastehen. Unser Perfektionismus lässt keine Fehler zu. Und wenn sie uns doch unterlaufen, dann werden wir zum unbarmherzigen Richter über uns.

Gott nimmt mich vorbehaltlos an

Eine Frau kam nicht davon los, dass sie beim Tod ihrer Mutter nicht zugegen war, obwohl sie sie vorher jahrelang hingebungsvoll gepfl egt hatte. Aber gerade im Augenblick des Todes machte sie eine Besorgung für die Mutter. Sie konnte sich nicht verzeihen und machte sich selbst das Leben zur Hölle. Wir können uns nur selbst vergeben, wenn wir an die Vergebung Gottes glauben. Gott wirft uns die Schuld nicht ständig vor. Er vergibt sie uns, er wäscht die Schuld ab, wie es im Psalm 51 heißt: "Wasche die Schuld ganz von mir ab und reinige mich von meiner Sünde- (Ps 51,4).

Weil Gott mir die Schuld nicht mehr vorwirft, soll ich meine Selbstvorwürfe lassen. Gott nimmt mich bedingungslos an. Daher darf auch ich mich annehmen mit meinen Fehlern und Schwächen, mit meinen Schattenseiten, die ich nicht so gerne anschauen möchte. In uns ist ein unbarmherziger Richter, das eigene Über-Ich, das uns ständig anklagt. Nicht Gott richtet uns, sondern dieser innere Richter, von dem Jesus sagt, dass er Gott nicht fürchtet und auf keinen Menschen Rücksicht nimmt (vgl. Lk 18,4).

Runter vom Thron der Selbstgerechtigkeit Das Vertrauen auf den barmherzigen Gott ist die erste Voraussetzung, damit wir uns selbst vergeben können. Die zweite Bedingung ist, dass wir uns von der Illusion verabschieden, als ob wir unser Leben lang mit einer weißen Weste verbringen könnten. Es ist schmerzlich, unser Selbstbild eines perfekten und fehlerlosen Menschen loszulassen.

Wir müssen herabsteigen vom Thron unserer eigenen Selbstgerechtigkeit. Dann dürfen wir in aller Demut annehmen, dass Gott uns bedingungslos liebt. Paul Tillich, ein evangelischer Theologe, nennt die Vergebung "Annahme des Unannehmbaren-. Wenn ich das Unannehmbare in mir annehme, dann erfahre ich Versöhnung mit mir selbst, dann habe ich im Vertrauen auf Gottes Vergebung mir selbst vergeben.

Von Anselm Grün

Übung

Untersuche deine eigenen Selbstvorwürfe. Was wirfst du dir vor?

Welches Bild von dir selbst steht hinter deinen Schuldzuweisungen?

Versuche, alle Selbstbeschuldigungen loszulassen.

Höre auf, dich zu beschuldigen und dich zu entschuldigen.

Halte dich, so wie du bist, dein Verhalten, so wie es war, einfach in Gottes vergebende Liebe hinein. Und versuche, dir nun selbst zu vergeben. Vielleicht wird dann auch deine Schuld zu einer glücklichen Schuld. Sie stürzt dich vom Thron deiner Selbstgerechtigkeit. Sie lässt dich Mensch unter Menschen werden, barmherzig und milde, versöhnt und Versöhnung ausstrahlend. Du brauchst Gott gar nichts vorzuweisen. Ihm ist es lieber, du hältst ihm dein zerbrochenes Herz hin. Das wird er nicht verschmähen (Ps 51,19).

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