Botschaften zweier Rebellinen
Die Schweizer Autorin Sonja Buholzer stellte ihr Buch über Mechthild von Magdeburg vor
Viel wissen wir nicht über diese Frau, aber was wir wissen und vermuten können, das hat die Schweizerin Sonja Buholzer in ihrem Buch "Solange du liebst. Botschaften einer Rebellin" aufgeschrieben.
Der Roman, der sich aus Originaltexten, deren Erforschung und erdachtem Geschehen zusammensetzt, ist Buholzers philosophischer Doktorarbeit entsprungen. "Über Hildegard von Bingen bin ich zu Mechthild gekommen", sagt Sonja Buholzer. "Ihre Texte waren mir zu Beginn absolut unklar, denn sie hat eine jahrhundertealte Bildersprache benutzt." Nach Mechthilds Erfahrung ist Gott wie eine Kugel aus Liebe, das Alles und das Nichts, wie eine Frau, die ihre Kinder nährt. "Mechthild hat Gott in den Bildern des Hoheliedes dargestellt, sie hat Metaphern benutzt, die sie auch gleich wieder sprengt, um zu zeigen, dass auch diese Bilder zu klein sind, um Gott zu erfassen."
Von Mechthild ist historisch wenig überliefert
Seit den 80er-Jahren befasst sich die 47-Jährige mit Mechthild, jetzt hat Sonja Buholzer zum ersten Mal Magdeburg besucht. "Aber von Mechthild ist leider nicht mehr viel übrig", bedauert die Autorin. Doch in ihrem Buch hat sie der Mystikerin ein Leben gegeben, aufbauend auf den dünnen Fakten, die heute noch bekannt sind: Als 20-Jährige verlässt Mechthild ihr Zuhause, vermutlich eine adlige Familie auf einer Burg, und lebt fortan mit den Magdeburger Beginen. Dort schreibt sie ihre Gottesbegegnungen im Stil des Minnesanges und in niederdeutscher Sprache auf, der Sprache des einfachen Volkes. Mechthild stirbt schließlich um 1282/94 im Kloster Helfta.
"Ich habe geschrieben, wie es hätte gewesen sein können, mit den Augen einer Frau von heute", sagt Buholzer. Und so vermischen sich im Buch Mechthilds Botschaften mit den Interpretationen der Autorin, mit Einschätzungen, die das Werk in den Rahmen der Gegenwart setzen. Sogar die Manager, die Buholzer mit ihrer Zürcher Wirtschaftsberaterfirma betreut, können etwas von Mechthild lernen. "Das Wichtigste im Leben ist die Liebe", sagt Buholzer. Die zweite Botschaft sei - auch mit Blick auf die derzeitige Steueraffäre -, dass die Wahrheit niemals verbrannt werden könne. "Und drittens sind die Vorurteile gegen Frauen immer noch zu groß, um die Größe der gescheiten Frauen zu nutzen, zu respektieren und zu schätzen."
"Das Wichtigste im Leben ist die Liebe"
Also sollen alle Frauen ein bisschen wie Mechthild werden? - Buholzer lacht. "Nicht nur die Frauen, auch die Männer!" Mechthild habe ja nicht gegen die männliche Welt angeschrieben, sondern gegen die Vorbehalte bestimmter Männer. "Wenn die Vorurteile so weit gehen, dass Millionen von Frauen zu Unrecht verbrannt und hingerichtet werden, dann ist das ein Kapitel der katholischen Kirchengeschichte, das damals war, aber ich denke, es wäre ein Zeichen von Größe, sich dafür einmal zu entschuldigen." Mechthild sei eine Brücke für Frauen in die Gegenwart. "Wer positive Spuren hinterlassen will, der braucht sehr viel Rebellentum und Mut, sich gegen Unrecht auszusprechen".
"Solange du liebst. Botschaften einer Rebellin" ist kein literarisches Meisterstück, dafür bleiben die Figuren zu blass und schablonenhaft, wirken die erzählten Begebenheiten zu oberflächlich. Aber dafür wurde das Buch auch nicht geschrieben. Auf ihren Forschungen aufbauend hat Buholzer versucht, Mechthilds Sprache für heutiges Denken zu übersetzen. Deshalb muss die Handlung zurücktreten, um die Botschaften nicht zu überdecken. Wem das nicht ausreicht, bleibt nur, eigene Forschungen zu betreiben.
Von Katharina Handy