"Das Alleinsein ist schlimm
Viele Ursachen für Kindstötungen / Bischof Zdarsa: Abtreibungen verändern Einstellung zum Leben
Nachdem in den vergangenen Wochen auch im Bistum Görlitz zwei Kinder von ihren Müttern getötet wurden, schlägt die Debatte über die Ursachen auch bundesweit Wellen.
Die letzten Fälle liegen noch nicht lange zurück. Im Dezember hat eine junge Frau in Schwarzheide ihr Kind getötet. Vor zwei Wochen ertränkte eine 22-jährige in Lübben ihr Baby in der Badewanne. Nach der Vernehmung der Mutter teilte die Cottbuser Staatsanwaltschaft mit, die junge Frau habe nach eigenem Bekunden das Kind nicht gewollt und sich auch damit überfordert gefühlt.Der Ministerpräsident von Sachsen- Anhalt Wolfgang Böhmer hatte in der vergangenen Woche für einigen Wirbel gesorgt, als er gesagt hatte, dass es im Osten mehr Kindstötungen gebe als im Westen, sei auf die Abtreibungspraxis in der DDR zurückzuführen.
Ein Vorwurf den Barbara Hupe, bei der Caritas in Görlitz in der Ehe-, Familie- und Lebensberatung tätig, zurückweist: "Das ist zu pauschal. Es ist schon möglich, dass die Abtreibungspraxis der DDR heute noch Nachwirkungen hat. Die Gründe sind meistens ganz andere."
Die Beraterin zählt auf und bestätigt die junge Frau aus Lübben: "Die häufigsten Ursachen sind Überforderung, Armut, Perspektivlosigkeit, psychische Erkrankungen und Einsamkeit."
In der Diskussion um die Ursachen wundert sie sich, dass immer nur über die Frauen gesprochen wird. Die Männer würden nie genannt, dabei müssten immer beide in den Blick genommen werden. Viele Frauen werden mit der Situation der Schwangerschaft vollkommen alleingelassen, haben mitunter keinen Lebenspartner, keinen Kontakt zu den eigenen Eltern: "Das Alleinsein ist schlimm." Die Frauen bräuchten vor allem Zeit und Hilfe. Man müsse sich Zeit nehmen, um auf die Betroffenen einzugehen und dann die richtigen Hilfen finden.
Die Zahl der Kindstötungen ist nach der offiziellen Kriminalstatistik von 293 Delikten im Jahr 2000 auf 202 im Jahr 2006 zurückgegangen. Barbara Hupe sieht deshalb in der aktuellen Diskussion vor allem eine Sensationsgier. Die Ereignisse würden, obwohl jedes einzelne ein trauriges sei, hochgespielt.
Bischof Konrad Zdarsa sagte zu Böhmers Äußerungen: "Wer will denn behaupten, dass sich jegliche Abtreibungspraxis etwa nicht auf die Einstellung eines Volkes zum Gut des Lebens auswirkt?!" Noch viel notwendiger sei ein anhaltender Aufschrei über die Zahl der jährlich vorgenommenen Abtreibungen in unserem ganzen Land. Schuldzuweisungen welcher Art auch immer angesichts der schrecklich traurigen Vorkommnisse von Kindstötungen könnten die Gewissen nicht entlasten.
Von Markus Kremser