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Plädoyer für Gewissensbildung

Benediktiner-Antprimas Notker Wolf sprach in Dresden

Dresden. "Wirtschaft Werte Unternehmer hieß der Vortrag von Benediktiner-Abtprimas Notker Wolf (Rom) Ende Februar in Dresden.
Er ist der Chef von rund 8000 Mönchen und über 12 000 Nonnen weltweit. Er liebt Hardrock und hat unter dem Titel "Worauf warten wir?" ketzerische Gedanken über die Entwicklung in Deutschland aufgeschrieben. Wenn der Weltenbummler und Abtprimas der Benediktiner, Notker Wolf, rund um den Globus unterwegs ist, dann sind Solidarität, Verantwortung und der Glaube an Gott der Kern seiner Botschaft. So auch am 26. Februar in Dresden, wo er auf Einladung des Kathedralforums Dresden, des Forum Tiberius, des Dresdner Salon und der evangelischen Kreuzkirchgemeinde zu Gast war.

Der Befund, den Wolf über den Patienten Deutschland abliefert, klingt zunächst einigermaßen beunruhigend: Eine Managerkaste, die den Hals nicht voll kriegt und sich immer dreistere Gehaltserhöhungen genehmigt. Spitzenverdiener, die es nicht nötig hätten, ihr Geld aber trotzdem ins Ausland transferieren, weil die Taschen nicht voll genug sein können. Für den Abtprimas ist dies alles aber nicht verwunderlich, denn der Mensch ist immer anfällig für die Sünde. Wer darüber urteilt und aburteilt sollte sich selbst fragen, wie er handeln würde, wenn er in einer ähnlichen Position wäre. "In uns allen steckt der Trieb nach Macht, nach der Eroberung von Territorium." Einer von persönlichem Gewinnstreben und Gier geprägten Gesellschaft setzt der Mönch aus dem Allgäu jedoch eine der ältesten Regeln des menschlichen Zusammenlebens entgegen, die das Christentum nach der Bibel überhaupt besitzt: die Regel des heiligen Benedikt.

Die aber ist von der Gottes- und Nächstenliebe, von der Verantwortung in der Freiheit, in der jeder Gewissensentscheidungen trifft und danach handelt, getragen. Notker Wolf wirbt für eine neue Kultur der Mitmenschlichkeit vor allem in der Wirtschaft, wo Gewinnmaximierung erstrebenswerter scheint als der Nächste, der Profi t wichtiger als derjenige, der dazu beiträgt. Es braucht wieder eine echte Gewissensbildung. Mit dem Glauben an Gott scheint dem Menschen auch das soziale Gewissen abhanden gekommen. Egal, wo der Einzelne steht: Das, was er tut, soll er verantwortlich tun. Dies bedeutet aber auch, dass jeder seine Fähigkeiten entfalten kann, Mitsprache- und Mitentscheidungsrecht bekommt und das Unternehmen, die ganze Gesellschaft, auf diese Weise mitgestaltet.

Nicht nur von der Verantwortung der Spitzenmanager, sondern von jedem hängt somit das Wohl und Wehe, die Glaubwürdigkeit und das Überleben des gesamten Systems ab. Das beinhaltet auch sozial-verantwortliches, globales Denken: Wenn das Nokia-Werk in Bochum geschlossen wird, geht es an einer anderen Stelle in der Welt weiter. In diesem Fall Rumänien, ein Land, das auch auf die Beine kommen muss.

Gibt es Alternativen zu den bestehenden Systemen? Notker Wolf vertritt die einheitliche Überzeugung der marktorientierten Wirtschaftspolitik, in der sein Orden als der älteste "Global Player" (weltweit agierende Wirtschaftunternehmen) der Welt- und Kirchengeschichte gelten darf. Es gibt keinen anderen Weg als den der Freiheit. Nur hier können in der Verantwortung vor Gott vernünftige Entscheidungen getroffen werden. Neu ist das nicht. Neu aber ist, wie sich diese Verantwortung in einer Welt konkretisiert, die immer kleiner wird und in der sich kaum zu überwindende Probleme aufgebaut haben: Der Egoismus einer transatlantischen Nationalökonomie, die Abhängigkeit der armen von der reichen Welt, die Öffnung der Märkte für die Schwächeren oder der verzweifelte Kampf gegen den internationalen Terrorismus. Die wichtigsten globalen Probleme hat Pater Notker bei seinem Dresdner Auftritt nicht angesprochen.

Von Andreas Schuppert

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