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Nachdenken über einen Vordenker

Tagung erinnert an deutsch-polnische Versöhnungsarbeit von Günter Särchen

Magdeburg. Im Dezember wäre Günter Särchen, der sein Leben der deutsch-polnischen Versöhnung gewidmet hat, 80 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass fand in Magdeburg jetzt eine Tagung statt.

Eine junge Generation spricht über ihre Erfahrungen mit der Versöhnung: die Freiwilligen von Aktion Sühnezeichen.

Es begann mit privaten Kontakten zu polnischen Gemeinden Anfang der 1960er Jahre. Jetzt sitzen drei junge Frauen in Magdeburg vor einer sehr viel älteren Generation von Polen, Polenkennern und -freunden und berichten von ihrem Friedensdienst im Nachbarland. Die Spuren der Arbeit von Günter Särchen folgen zwar oft verschlungenen Wegen, doch sind sie immer wieder sichtbar und führen sie immer auf das eine große Ziel hin: Versöhnung.

Im Dezember wäre der einstige Mitarbeiter des Magdeburger Ordinariates 80 Jahre alt geworden. Die Anna-Morawska-Gesellschaft, hervorgegangen aus den von Särchen organisierten Polen- Seminaren, erinnerte jetzt in einer Tagung im Roncalli-Haus Magdeburg an den Mann, der schon zu DDR-Zeiten den europäischen Gedanken mitdachte. Seine Erfahrungen im Zweiten Weltkrieg hatten ihn zu seinem persönlichen Einsatz für die Aussöhnung mit den polnischen Nachbarn bewogen. Särchen organisierte unter anderem Reisen an Orte ehemaliger Konzentrationslager. Doch muss Versöhnung immer wieder neu gedeutet werden. Das hat Luise Krebs aus ihrem Friedensdienst für Aktion Sühnezeichen, dessen Leitung Särchen angehörte, mitgenommen. Die 21-Jährige betreute in Krakau unter anderem alte Menschen in einem Heim. "Wenn ich mich mit jungen Polen treffe, wissen wir: Keiner von uns hat Schuld am Krieg, keiner hat etwas getan." Aber die Geschichte sei immer da. Und auch die Vorurteile. Luise und ihre beiden Mitstreiterinnen berichten ebenso von ihren Ängsten vor der Skepsis der Polen wie von ihrer Überraschung über den unkomplizierten und offenen Umgang mit ihren Gastgebern.

Günter Särchen

"Versöhnung ist für mich eher ein Zielgedanke", sagt Aline Seel, die ebenfalls in Krakau ihren Friedensdienst leistete. "Wenn einfach nur ein Funken von Verzeihung da ist, dann kann ich schon sehr dankbar sein." Tadeusz Mazowiecki, erster demokratischer Ministerpräsident Polens und Freund von Günter Särchen, ist da anderer Meinung. "Natürlich ist die jüngere Generation nicht für das verantwortlich, was geschehen ist", sagt der 80-Jährige. "Aber es gibt keine andere Zukunft für die Völker als die Versöhnung."


Dem kann Elisabeth Here zustimmen: "Versöhnung ist ein täglicher Prozess, vor dem wir keine Angst haben müssen", sagt die zweitjüngste Tochter Särchens, die wie ihre drei Geschwister zur Tagung gekommen war. Ihre Schwester Claudia Wyzgol hatte das Treffen organisiert. "Die Arbeit unseres Vaters in Richtung Polen war uns von Kindheit an vertraut", sagt sie. "Wir waren als Familie in Polen unterwegs, waren mit als Besucher bei Freunden aus den Klubs der Katholischen Intelligenz, bei Priestern und Bischöfen." Die beiden Schwestern engagieren sich seit vielen Jahren in der Anna-Morawska-Gesellschaft.

Günter Särchens außenpolitische Aktionen abseits der Regime- Richtlinien wurden von der DDR-Regierung nicht gern gesehen. Als Leiter der Arbeitsstelle für pastorale Hilfsmittel nutzte Särchen den Schutz und die Infrastruktur der katholischen Kirche, um polnische Gemeinden etwa mit Diavorträgen zu versorgen oder um DDR-Bürger mittels Handreichungen über die demokratischen Bewegungen in Polen zu informieren. Als Bischof Johannes Braun die Arbeitsstelle in Magdeburg auf den Druck der Stasi hin schloss, übernahm Aktion Sühnezeichen die ökumenischen Polen-Seminare, die später in der Anna-Morawska- Gesellschaft aufgingen.

"Günter Särchen war ein impulsiver, temperamentvoller Mensch", sagt der evangelische Pfarrer Michael Schwarzkopf, Vorsitzender der Anna-Morawska- Gesellschaft. "Mit großen Visionen hat er einen gemeinsamen Weg Deutschlands und Polens in Europa vorgedacht."

Von Katharina Handy

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