Der Kompass gibt Orientierung
Ein Caritas-Projekt in Borna bietet Hilfe für straffällige Jugendliche an
Drei Jugendliche zerstören die Landmaschine eines Bauern und verunreinigen ein Teil des Saatgutes. Aus lauter Jux und Dollerei. Was sich zunächst wie das Drehbuch zum "Marienhof" anhört, ist mitten aus dem Leben gegriffen. Kathrin Posern und Andreas Surek hätten noch mehr von diesen Geschichten auf Lager. Die beiden Sozialarbeiter kümmern sich im Caritas-Projekt "Kompass" in Borna um straffällig gewordene Jugendliche.
Für die jungen Leute ist dies nicht der Anfang einer Verbrecher- Karriere, weiß Andreas Surek. Straftaten bei Jugendlichen sind oft ein "Durchgangsphänomen", wie es in der Fachsprache heißt. Und doch ist bei denen, die davon betroffen sind, erstmal gründlich was schief gelaufen.
Kathrin Posern ist seit zehn Jahren im Projekt "Kompass" mit der Betreuung und Begleitung von straffälligen Jugendlichen beschäftigt - mehr als zehn Einzelfälle pro Jahr. "Die Ursachen dafür, dass Jugendliche straffällig werden, sind sehr verschieden", ist die Erfahrung von Frau Posern, die auch in der "Aufsuchenden Familientherapie" im Caritasverband Leipzig tätig ist. Der Verlust eines geliebten Menschen, Vernachlässigung im Elternhaus, traumatische Erlebnisse. Das alles kann dazu führen, dass die jungen Leute auf die schiefe Bahn geraten.
"Kompass" setzt da an, wo andere offensichtlich versagt haben: Bei den individuellen Fähigkeiten des Einzelnen, bei seinen Wünschen und seinen Vorstellungen vom Leben. Ziel ist es, die soziale Kompetenz der Jugendlichen zu stärken, Möglichkeiten einer kritischen Selbstreflexion und alternative Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen. "Die geschieht in der Einzelfallbetreuung, aber auch in sozialen Trainingskursen", erläutert Frau Posern. Bei gemeinsamen Aktivitäten, Diskussionsrunden, Rollenspielen und Gesprächen sollen die Jugendlichen erkennen, dass eigene Fehler möglich, aber auch korrigierbar sind. Die Mädchen und Jungen zwischen 14 und 21 Jahren werden dem Caritas- Projekt vor allem durch die Jugendgerichtshilfe zugewiesen.
Wichtiger Baustein der "Kompass"- Arbeit ist der sogenannte Täter-Opfer-Ausgleich, für den Andreas Surek eine zusätzliche Ausbildung als Mediator absolviert hat. "Dahinter steckt der Gedanke, dass nicht jeder Streit und nicht jede Straftat durch einen Richter geklärt werden muss." Die Gegner müssen eine Lösung finden, die beide Seiten als gerecht empfinden. Im Fall der Jugendlichen, die den Bauern geschädigt haben, hätte die Auseinandersetzung eskalieren können. "Die Dorfgemeinschaft hat ihre eigenen Gesetzmäßigkeiten. Der dörfliche Frieden hätte auf Dauer gestört sein, der Konflikt sich möglicherweise auch auf die nächste Generation übertragen können", beschreibt Andreas Surek, welche Auswirkungen ein Dummer-Jungen-Streich haben kann. "Am Ende haben sich die Beteiligten geeinigt, die Jungs haben einen Teil ihres ,Jugendweihegeldes‘ als Entschädigung für die zerstörten Maschine gezahlt und später die Heuernte mit eingebracht." So waren alle zufrieden. Nicht immer, gibt Surek zu, geht es so glimpflich ab. Manchmal sind die Fronten verhärtet. Trotzdem hat er im letzten Jahr 37 Fälle schlichten können.
Die "Kompass"-Mitarbeiter wehren sich jedoch gegen eine Kriminalisierung der jungen Generation. "Jemanden zu schlagen, kann für einen Jugendlichen erstmal sinnvoll sein", sagt Andreas Surek. "Anerkennung in der Gruppe, Respekt, Ehre." Dass dieser Weg aber zu nichts führt, merkt er erst später. "Dann muss der Betroffene andere Verhaltensmuster einüben, die ihm die Anerkennung verschaffen, die er sucht." Es gehe darum, die Ressourcen und positiven Seiten jedes Einzelnen zu entdecken. Bei der Caritas scheint dieser Ansatz zu funktionieren: "Die meisten wissen, dass sie nicht richtig gehandelt haben und wollen eine Veränderung. Schon wenn die Jugendlichen regelmäßig zu den vereinbarten Beratungsterminen erscheinen, ist ein erster Erfolg zu spüren", meint Kathrin Posern.
Kontakt
Caritas-Jugendprojekt Kompass, Abtsdorfer Straße 13, 04552 Borna, Tel./Fax 0 34 33 / 20 81 24, E-Mail: kompass.borna@caritasleipzig. de, Internet: www.caritas- leipzig.de. Ansprechpartner sind Kathrin Posern und Andreas Surek.
Von Andreas Schuppert