Jetzt 4 Wochen kostenfrei Tag des Herrn lesen!

Ostern ist für mich Neubeginn

Der Gottesdienst muss Herz und Verstand erreichen / Landrat Dr. Werner Henning im Gespräch (Teil 1)

Gestaltungskraft, Moderne und Tradition zeichnen den Eichsfelder Landrat Dr. Werner Henning aus. Der Landrat ist ein christlicher Politiker, der sich nicht davor scheut, ehrlich und engagiert in aktuellen Debatten das Wort zu ergreifen. Der Tag des Herrn sprach mit Dr. Werner Henning.

Landrat Dr. Werner Henning

Wie würde der Politiker Werner Henning Ostern beschreiben?

Ostern ist für mich Neubeginn, Aufbruch, Frühling, jugendliches Erwachen - kurz Auferstehung, die sich in der Auferstehung Jesu von den Toten verwirklicht. Hierin das zentrale Glaubenselement unseres christlichen Glaubens zu bekennen bedeutet, sich selbst noch mehr im Kontext dieser Auferstehung mitzudenken und dem Leben positiv zu begegnen.

Eichsfelder und katholisch sein gehörten über Jahrhunderte zusammen. Jetzt scheint sich diese Einheit aufzulösen. Wie schätzen Sie die Situation ein? Ist die Eichsfelder Volkskirche nur noch eine leere Hülle?

Ich sehe das nicht ganz so. Der Eichsfelder war immer auf der Suche. Sei es nach Arbeit in der Fremde, danach, wie er sich und seine Familie voranbringt oder auch nach beständigeren Antworten, welche über die Kurzlebigkeit des Alltags hinausreichen. All diese Momente versucht er, in ein harmonisches Gesamtbild zu bringen, was ebenso für seinen Ordnungssinn in der Haus- und Dorfgestaltung, wie für Ordnung in seinem Leben und seiner Familie gilt. Und auch der Sonntag gehört in diese Ordnung hinein, auf die der Eichsfelder immer stolz war und bis heute ist. Der Katholizismus war in dieser Suche immer so etwas wie der große kulturelle Rahmen, der für viele Lebensbereiche - fast wie von selbst -Lösungen und Sinn vorgab. So betrachtet hat sich auch in der Gegenwart noch nicht allzu viel an der Einstellung der Eichsfelder verändert, die nach wie vor stark aus diesem kulturellen katholischen Hintergrund handeln.

Aber die Zahlen der Gottesdienstbesucher gehen doch zurück?

Wenn die Zahlen der Kirchenbesucher auch bei uns drastisch zurückgegangen sind, so hat dieses zumeist andere Ursachen. Viele dieser Ursachen erklären sich einfach aus den dichter gedrängten Zwängen des modernen Lebens mit einer Unzahl an Verpflichtungen, die sich nicht mehr alle unter einen Hut zu bringen sind. Ein Beispiel: Heute ist es kulturell einfach üblich geworden, dass die jungen Leute zur Disko am Samstag erst um 23 Uhr losgehen. Die sind dann so kaputt, wenn sie früh um fünf Uhr nach Hause kommen. Da fällt der Gottesdienstbesuch eben auch schon einmal aus. Ein anderer Grund ist aber sicher auch, dass die Erwartungshaltungen an eine bestimmte Qualität des Gottesdiensterlebnisses heute weitaus höher als früher sind und Defizite bemerkt werden. Gründe sehe ich aber auch darin, dass die hauptamtlichen Mitarbeiter der Kirche zuweilen auch intensiver für ihre Belange werben müssen.

Welche Erwartungen haben Sie an den Gottesdienst?

Ich glaube, dass wir heute zuweilen im Gottesdienst eine Qualität angeboten bekommen, die nicht immer zumutbar ist. Der Gottesdienst muss überzeugen. Es reicht nicht mehr, nur zu sagen, dass der gläubige Christ um seiner selbst willen, quasi seines Seelenheils wegen, zur Kirche kommen solle. So wünschenswert das auch wäre, letztendlich ist diese Sicht nicht stimmig und erscheint etwas antiquiert. Unser heutiger Gottesdienst muss auf der Höhe der Jetztzeit gleichermaßen Herz und Verstand erreichen. Dazu muss er sich zentraler auf die Botschaft der Evangelien konzentrieren und darf nicht in so viele Spielchen abrutschen, welche nur bedingt die zentralen Elemente des Christentums zum Ausdruck bringen.

Christentum ist Weltanschauung, Christentum ist Antwort für die Sinnfrage in diesem Leben. Hier fallen mir so manche Sprachspiele ein, die wohl gut klingen, aber wenig vermitteln. Wir müssen aufpassen, dass über Sprache und Bilder Kirche nicht zu schnell in die Rolle eines Kindergartens für Große gerät. Das reicht nicht. Da muss Substanz kommen, die von den Seelsorgern aufzubereiten ist, womit sie gleichermaßen auch für "ihren" Gottesdienst werben. Mit Sicherheit hat dieses auch Auswirkungen auf die Besucherzahlen.

Sie haben gesagt, dass der katholische Glauben Lösungen und Sinn vorgibt. Wie haben sich diese bei Ihnen persönlich mit Blick auf die Nachwendezeit ausgewirkt?

Für mich waren die Antworten aus dem Christentum, aber auch aus der eigenen Familiengeschichte, weithin die einzigen belastbaren Grundlagen, auf die ich mich in schwierigen Entscheidungssituationen habe zurückziehen können. Die DDR war mit dem Mauerfall im Grunde Geschichte, zumindest trugen ihre Gesetze nicht mehr. Neue, brauchbare sowie belastbare Strukturen waren lange nicht da. In dieser Situation haben mir vielfach Zitate aus der Bibel, aus der Bergpredigt - oder aber auch Aussagen meiner Großmutter geholfen. Mit Letzterer verbindet mich der Spruch: "Mach das Messer nicht allzu scharf, es legt sich um." Letztendlich geht es immer um eine gute Balance im Leben.

Noch einmal zu den jungen Leuten. Es scheint doch so, dass deren Bindung an die Kirche eher schwach ist. Ist diese Entwicklung ein Zeichen der Entchristlichung oder deutet sie auf eine andere Entfremdung hin?

Auch dies sehe ich nicht so. Ich glaube, die jungen Leute sind heute viel zerrissenerer, weil sie sehr vielen Erwartungshaltungen gerecht werden müssen. So ist es für sie wesentlich schwerer, Leben und Glauben miteinander in Einklang zu bringen. Die Beziehung zur Kirche ist hingegen sicher noch da, wenn auch die Zugangshürden größer geworden sind. Andererseits muss sich die Kirche aber auch um die jungen Leute mit ihren eigenen authentischen Mitteln bemühen. Menschen brauchen aktuelle Erziehungshilfen - nicht aus einer verklärten Tradition der Vergangenheit.

Hier scheinen mir tiefer gehende Sinnfragen des Lebens besonders wesentlich, auf welche gerade die Kirche Antworten geben kann und muss. Vielfach begnügt man sich allerdings mit zu großer Oberflächlichkeit oder zu naiven Bildern aus dem Kinderglauben, was übrigens die jungen Leute sehr schnell spüren. Religion braucht eine größere geistliche Tiefe.

Fragen: Holger Jakobi

Der zweite Teil des Interviews in der nächsten Ausgabe

Aktuelle Empfehlung

Der TAG DES HERRN als E-Paper - Jetzt entdecken!

Aktuelle Buchtipps