Kreuz als Ort der Versöhnung

Wege zur Versöhnung - Tag des Herrn-Fastenaktion mit P. Anselm Grün

Im Blick auf das Kreuz wird die versöhnende Liebe Jesu sichtbar, der aus Liebe zu mir gestorben ist - siebter Teil der Tag des Herrn-Fastenserie.

In der Passionszeit und vor allem am Karfreitag wird uns das Kreuz als der eigentliche Ort der Versöhnung vor Augen geführt. Am Kreuz hat Gott die Welt mit sich versöhnt. So bekennen wir immer wieder in der Liturgie. Doch wie sollen wir das verstehen? Auf keinen Fall dürfen wir es uns so vorstellen, als ob Gott durch den Tod seines Sohnes versöhnt worden sei. Nicht Gott wird versöhnt, sondern der Mensch. Aber wie können wir durch das Kreuz mit Gott versöhnt werden?

Die Sünde trennt uns von Gott

Die Sünde trennt uns von Gott. Am Kreuz hat sich die Sünde der Welt, wie sie in den ungerechten politischen Strukturen und in den Intrigen der Mächtigen zum Ausdruck kam, ausgetobt. Aber Jesus hat die Sünde der Welt am Kreuz ausgehalten und durch seine Liebe verwandelt. Die Sünde hat ihre letzte Macht über den Menschen verloren. Das Kreuz ist seit jeher ein Symbol für die Einheit aller Gegensätze, für oben und unten, für rechts und links, für bewusst und unbewusst. Jesus hat am Kreuz Versöhnung gestiftet, indem er alle Gegensätze dieser Welt in sich vereinigt und miteinander verbunden hat: Himmel und Erde, Licht und Dunkel, Mann und Frau, das Bewusste und Unbewusste, Arm und Reich, Jung und Alt. Die Gegensätze zerreißen uns nicht mehr. Sie sind umfasst von Gottes Liebe.

Johannes versteht den Tod Jesu am Kreuz so, dass uns Jesus bis zur Vollendung geliebt hat. Er hat sich in der Fußwaschung bis in den Staub der Erde gebeugt, um uns an unserer verwundbaren Stelle, an unserer Achillesferse, zu heilen. Der Tod Jesu am Kreuz nimmt das, was Gott am fernsten ist: die Bosheit der Welt, die sich im gewaltsamen Tod Jesu ausdrückt, in Gott hinein. Es gibt nichts mehr, was nicht von Gottes Liebe berührt und verwandelt worden ist.

Seit jeher haben wir das Kreuz mit der Vergebung der Sünden in Zusammenhang gebracht. Aber wie sollen wir das verstehen? Gott vergibt nicht, weil Jesus gestorben ist, sondern weil er Gott ist, der uns bedingungslos liebt. Aber uns hilft der Blick auf das Kreuz, an die vergebende Liebe Gottes zu glauben.

Das Kreuz vermittelt uns die Vergebung

Wenn wir sehen, dass Jesus am Kreuz selbst seinen Mördern vergibt, dürfen auch wir vertrauen, dass es nichts in uns gibt, das Gott nicht vergeben wird. Das Kreuz bewirkt nicht die Vergebung, sondern vermittelt sie uns. Der Blick auf das Kreuz hilft uns, ja zu sagen zu uns selbst. Jesus ist auch für mich gestorben. Seine Liebe gilt mir ganz persönlich. Und es gibt nichts in mir, was von dieser Liebe ausgeschlossen ist. So ist gerade die Meditation des Kreuzes für mich der Ort, an dem die vergebende Liebe Gottes tief in meine Wunden und in meine Schuld einströmt und ich mit vollem Herzen glauben kann: Meine Schuld ist vergeben.

Ich bin von Gott bedingungslos geliebt. Ich brauche Gott nichts vorzuweisen. Ich gehöre ihm. Das befreit mich von allen Zwängen, mich selbst beweisen zu müssen.

Übung

Setze dich vor ein Kreuz und meditiere es.

Stelle dir vor, dass die ausgebreiteten Arme Jesu eine Gebärde der Liebe sind. Jesus hält seine Arme offen, um dich zu umarmen.

Und schau auf diesen Jesus, der auch für dich gestorben ist. Du bist wichtig für ihn. Jesus hätte auch vor dem gewaltsamen Tod fliehen können. Doch er ist seinenWeg konsequent weitergegangen, auch aus Solidarität zu dir. Er hat sich für uns hingegeben und uns dadurch gezeigt, wozu Liebe fähig ist. Diese Liebe gilt auch dir. Sie meint dich ganz persönlich.

Lasse diese Liebe in alle Gegensätze deines Leibes und deiner Seele, in alle Abgründe deines Herzens strömen. Dann wird die Erfahrung dieser bedingungslosen Liebe in dir die Gewissheit hervorrufen: Ich bin angenommen. Ich bin versöhnt mit mir und meinen Gegensätzen. Es gibt nichts mehr, was mich von Gott trennen könnte.

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