Weder Betsaal noch Wohnraum
Vor 125 Jahren wurde die Herz-Jesu-Kirche in Bad Liebenwerda gebaut dank einer großzügigen Spende aus dem Bistum Paderborn
Für seinen Vor...-Vorgänger und ersten Seelsorger in Bad Liebenwerda empfindet Pfarrer Hans Thiersch große Hochachtung. Der Missionar Jakob Feldkamm fuhr Anfang der 1870er Jahre nur einen Tag nach seiner Primiz von Paderborn in den Osten. Dort sollte er sich um die auf viele kleine Städte und Dörfer verteilten Katholiken kümmern. Waren bei seiner Ankunft in Bad Liebenwerda weder Betsaal noch Wohnraum für ihn eingerichtet, konnte Jakob Feldkamm zehn Jahre später stolz von der "prächtigen Herz- Jesu-Kirche" berichten. In nicht mehr als zehn Monaten war ein neogotischer Bau entstanden, für den das Bistum (heute Erzbistum) Paderborn 15 000 Mark (das wären heute etwa 267 000 Euro) zur Verfügung stellte.
Am Sonntag feiert die Herz-Jesu- Gemeinde in Bad Liebenwerda das 125. Jubiläum ihres Gotteshauses. "Allerdings hat 1883 lediglich ein Pfarrer die Kirche eingesegnet", sagt Pfarrer Thiersch. Der erste Bischof kam erst 1919 nach Bad Liebenwerda und hat vermutlich die Kirche konsekriert. "Aber im Paderborner Archiv steht nur etwas von einer Altarweihe und der Spendung der Firmung", so Thiersch. Die Geschichte der Herz-Jesu-Kirche will die Gemeinde zum Jubiläum in einer Chronik aufarbeiten. Dabei hat sich ein altes Schwarz-Weiß-Foto angefunden, das die Kirche während ihrer Bauzeit zeigt. Zu den Arbeitern haben sich Frauen und Kinder auf die Baustelle gesellt. Wohl für den Fotografen stellten sich auch die kleinen Jungen auf die Leiter und hievten Steine auf das Baugerüst.
Noch heute ist die 2003 grundsanierte Herz-Jesu-Kirche das Zentrum einer kleinen, aber lebendigen Gemeinde von rund 450 Mitgliedern. Zusammen mit Falkenberg, Herzberg, Mühlberg, Schlieben und Uebigau bildet Bad Liebenwerda einen Gemeindeverbund im äußersten Osten des Bistums. Zusammen genauso alt wie ihre Kirche sind auch Helmut Binder (66), Heidrun Wolf (44) und Marcel Krauße (15), die sich regelmäßig im Gemeindeleben engagieren. Während Helmut Binder seit 13 Jahren den Familien- Altkreis "Herbstzeitlose" leitet, hat die Kindererzieherin Heidrun Wolf den Religionsunterricht für die unteren Klassen übernommen. "So eine kleine Gemeinde ist sehr schön, aber ich bin traurig darüber, dass wir immer weniger Kinder hier haben", sagt die Mutter von sechs eigenen Kindern und einer Pflegetochter. Nicht alle Schüler aus dem Religionsunterricht seien auch in der Gemeinde aktiv, "dabei sind sie doch unsere Zukunft."
Immerhin kommen bis zu acht Kinder in die Ministrantenstunde zu Marcel Krauße. Alle zwei bis drei Wochen trifft sich der 15-Jährige am Sonnabend mit den jüngeren Ministranten und teilt ihre Dienste ein. Um seine Autorität muss Marcel sich keine Sorgen machen. "Die hören schon alle auf mich", sagt der Gymnasiast und hofft, dass es einen Nachfolger für seine Aufgabe geben wird, wenn er zum Studium Bad Liebenwerda verlassen wird.
"Der Weggang der jungen Leute ist sehr bedrückend", sagt auch Pfarrer Thiersch. Wenn er in zwei Jahren in den Ruhestand geht, wird seine Pfarrei aufgelöst. "Doch hat sich dann im Gemeindeverbund schon ein Wir-Gefühl entwickelt?" fragt er und fügt hinzu: Die Gemeinde werde fortbestehen. - Und mit ihr auch die Herz-Jesu-Kirche.
Von Katharina Handy