Dankbarkeit überwiegt
Ostdeutsche Reaktionen auf den Tod von Chiara Lubich, der Gründerin der Fokolarbewegung
In Dresden, Erfurt und im Zwochauer Mariapolizentrum Einheit wurden Requien für die Verstorbene gefeiert. Nicht nur Mitglieder der Fokolarbewegung nahmen daran teil, sondern unter anderem auch Vertreter anderer geistlicher Gemeinschaften wie der Schönstatt-Bewegung und der Missionarinnen der Nächstenliebe.
Die Grundstimmung unter den Trauergästen war Dankbarkeit für die Impulse, die von Chiara Lubich ausgegangen sind. "Die Begegnung mit ihr und ihrer Erfahrungswelt hat meine Beziehung zu den Mitmenschen grundlegend zum Positiven verändert", sagt Dr. Helmut Rothmann aus Zwochau. Das Gleiche gelte für die dunklen Seiten des Lebens. "In jeder unklaren oder schmerzlichen Situation habe ich heute die Hoffnung, dass dadurch etwas Positives bewirkt werden kann." Er empfi nde den Tod Chiara Lubichs nicht als Abbruch des bisher Gelebten, sondern als Eintritt in eine neue Dimension, die auch für ihn selbst die Chance auf ein noch intensiveres Leben eröffne.
Als die Zwochauer Lehrerin Gertraud Budig die Nachricht vom Tod Chiara Lubichs erhielt, musste sie an eine durchwachte Nacht ihrer Jugendzeit zurückdenken: "Ich war damals 17 Jahre alt, und mir war eines ihrer Bücher in die Hände gefallen. Ich bin dabei hängengeblieben. Diese Frau verstand es, genau das zum Ausdruck zu bringen, was ich leben wollte." Dieses Gefühl sei geblieben, auch später, als sie Chiara Lubich persönlich kennenlernte. Sie habe die Mitglieder der Bewegung nie auf ihre eigene Person fi xiert, sondern ihnen immer den Weg zu Gott gewiesen, betont Gertraud Budig. "Sie hat mich gelehrt, mich selbst vor Gott zu stellen. Jetzt, wo sie gestorben ist, habe ich deshalb das Gefühl, noch tiefer mit ihr verbunden zu sein."
"Das Zusammenleben mit ihr war immer schon eine Vorbereitung auf das Leben, was uns einmal im Himmel erwartet", sagt Alfons Wanzek aus Dresden.
Manfred Kögler, einer der Verantwortlichen für die Fokolarbewegung in den neuen Bundesländern, hat an den Beisetzungsfeierlichkeiten für die Fokolargründerin in Rom teigenommen. Eindrucksvoll sei für ihn insbesondere gewesen, dass nicht nur Vertreter der christlichen Welt die Gelegenheit nutzten, Chiara Lubich zu würdigen, sondern Menschen unterschiedlichster Religionen und Weltanschauungen. "Man sieht, dass sie eine Persönlichkeit ist, die der ganzen Welt gehört und nicht nur der Fokolarbewegung", sagte Manfried Kögler. Auch in Rom sei die Stimmung nach ihrem Tod alles andere als traurig gewesen, teilte er mit. Man könne fast schon von einer neuen Aufbruchstimmung sprechen. "Es ist beeindruckend, was Chiara Lubich selbst im Tod noch bewirkt. Ihr Leben lang hat sie die unterschiedlichsten Menschen miteinander vereint, und in diesen Tagen tut sie das mehr denn je."
Von Dorothee Wanzek
Zitate
Einheit - eine kraftvolle Vision
Frau Chiara Lubich, die 1943 zusammen mit einigen Gefährtinnen das heute weltweit verbreitete Werk Mariens (Fokolarbewegung) begründet hat, gehört zu den prägenden spirituellen Persönlichkeiten der katholischen Kirche in neuerer Zeit. Weit über die Grenzen der Kirche hinaus fand ihre Vision der Einheit der Christen und aller Menschen, die in der Einheit des dreifaltigen Gottes gründet, ein lebhaftes Echo. In einer Welt, die angesichts wachsender globaler Spannungen immer stärker auf zusammenhaltende Kräfte angewiesen ist, wird die Vision der Einheit, die Chiara Lubich aufgezeigt und gelebt hat, ihre prophetische Kraft behalten.
Bischof Joachim Wanke, Erfurt
Sie war eine gotterfüllte und den Menschen aller Konfessionen, Religionen und nichtreligiösen Lebensauffassungen zugewandte Persönlichkeit, die durch das Feuer ihres Geistes Grenzen zu überwinden verstand und viele einte. Schon in den sechziger Jahren hatte sie eine Vision vom Fall der Mauer und ermutigte uns, an die Einheit Europas zu glauben. Viele, auch ich, verdanken ihr eine Erneuerung des Glaubens. Ihre Liebe war so stark und ungekünstelt, dass jede Begegnung mit ihr ein Fest gewesen ist.
Bischof Joachim Reinelt, Dresden