Rituale für die Familie suchen

Wege zur Versöhnung - Tag des Herrn-Fastenaktion mit P. Anselm Grün

Die Versöhnung mit Gott ermöglicht die Versöhnung mit den Menschen - letzter Teil der Tag des Herrn-Serie von Anselm Grün.

Viele Menschen leiden darunter, dass die eigene Familie zerstritten ist. Da spricht der Bruder nicht mehr mit seiner Schwester. Und beide versuchen, die Mutter auf ihre Seite zu ziehen. Sie fühlt sich innerlich zerrissen und weiß nicht, was sie tun soll. Alle moralischen Appelle, sich als Christen doch miteinander zu versöhnen, fruchten nicht. Oft wurden durch Erbschaftsstreitigkeiten so tiefe Gräben aufgerissen, dass keiner mehr fähig ist, sie zu überbrücken.

Das Gebet für die Familienmitglieder kann sicher eine Hilfe sein, den Geist der Versöhnung in jedem hervorzulocken. Oft sind Rituale eine Hilfe, den jahrelangen Streit zu überwinden.

Eine Karte zum Geburtstag und zu Weihnachten

Ein Vater erzählte mir, dass er seinem Sohn, der sich von der Familie im Streit losgesagt hat, jedes Jahr zum Geburtstag und zu Weihnachten eine liebevolle Karte schreibt. Die Mutter wirft ihm vor, das habe doch alles keinen Zweck. Doch der Vater hält am Ritual fest. Ich bestärkte ihn dabei. Vielleicht bewirkt das Ritual doch irgendwann Versöhnung im Herzen des Sohnes.

In jeder Familie gibt es immer wieder Konfl ikte. Ehepaare übergehen oft die kleinen alltäglichen Kränkungen. Und auf einmal baut sich Aggression auf. Man versteht den andern nicht mehr. Oder es gibt einen Konfl ikt, bei dem all die angestauten Emotionen hervorbrechen.

Einer zündet die Hochzeitskerze an

Ein Ehepaar erzählte mir, dass es sich oft streitet. Wenn der Mann gerade richtig in Wut geraten ist, sagt ihm die Frau: "Du musst mir aber im Namen Jesu vergeben." Das bringt ihn noch mehr in Rage. Das ist kein gutes Ritual. Da ist schon das Ritual besser, das ein anderes Ehepaar praktiziert. Immer wenn durch einen Konflikt dicke Luft im Haus herrscht, zündet einer die Hochzeitskerze an. Das ist dann für den andern ein Signal, dass ihm die gemeinsame Liebe wichtiger ist als der Konflikt.

Das Ritual lässt dem andern Zeit, dass sich seine Emotionen klären können. Die Kerze schafft eine Atmosphäre, die es dem einen irgendwann ermöglicht, auf den andern zuzugehen und ihm zu sagen, dass ihm der Konflikt leid tut oder dass sie trotz der Meinungsverschiedenheit wieder zusammenstehen.

Wenn in einer Familie nicht über Gefühle gesprochen wird, dann legt sich durch die unausgesprochenen Gefühle, durch die oft unbewussten Kränkungen und Missverständnisse eine Staubschicht auf das Miteinander. Man sieht den andern nicht mehr, wie er ist, sondern nur noch unter der Staubwolke.

Der heilige Benedikt rät dem Abt, er solle täglich zweimal laut das Vaterunser vor der Gemeinschaft beten, damit die Atmosphäre unter den Brüdern gereinigt wird. So braucht auch jede Familie Versöhnungsrituale, damit die emotionale Umweltverschmutzung gestoppt und ein neues Miteinander ermöglicht wird. So ein Ritual könnte das gemeinsame Vaterunser sein oder der tägliche Segen, bei dem der Vater oder die Mutter dem Kind das Kreuz auf die Stirne zeichnet.
Von Anselm Grün

Hinweis

Die Beiträge der Fastenaktion erschienen als kostenloser Sonderdruck. Leider ist dieser bereits vergriffen. Eine Übersicht der Einzelbeiträge finden Sie hier!

Übung

Rituale für die Familie



Es gibt immer die ideale Zeit für ein gemeinsames Versöhnungsritual in der Familie.

Versuche, deine Familie an einem Abend zusammenzurufen.

Setzt euch an einen Tisch und zündet eine Kerze an, die eure Mitte bildet. Der Vater oder die Mutter liest einen Text aus der Bibel, zum Beispiel aus dem Matthäusevangelium 18,21-35 oder aus dem Lukasevangelium 15,11-32.

Dann hält Vater oder Mutter Rückblick :

Wofür sind wir dankbar?

Was hat Gott uns geschenkt?

Worüber freuen wir uns, wenn wir an die Familie denken?

Was ist nicht so gut gelaufen?

Wo gab es Konflikte oder Unzufriedenheit?

Wofür möchte sich jemand entschuldigen?

Was könnten wir besser machen?

Wenn es möglich ist, kann die Familie darüber sprechen. Wenn es zu schwer fällt zu sprechen, kann man sich schweigend darüber Gedanken machen. Oder die Kinder können etwas malen.

Dann könnt ihr die Besinnung abschließen mit einem gemeinsamen Vaterunser, bei dem ihr euch an der Hand nehmt und den Geist der Vergebung zueinander strömen lasst.

Abschließend könntet ihr ein Mahl der Versöhnung halten.

Hinweis: Bücher mit Texten von Anselm Grün finden Sie unter www.vivat.de