Gesundheit ist keine Ware
Die christliche Auffassung betont, auch in der Medizin immer nach dem Gewissen zu handeln
Ist es gerecht, wenn Privatpatienten kürzer auf eine Untersuchung warten? Ist medizinischer Fortschritt immer nützlich? Sollte, wenn das Leben zu Ende geht, Behandlung oder Begleitung im Vordergrund stehen? Die Fragen, die am 9. April im Katholischen Krankenhaus Erfurt diskutiert wurden, hatten es in sich: Gesundheitsfragen - Lebensfragen. Das Bistum Erfurt und die Evangelisch- Lutherischen Kirche in Thüringen hatten im Rahmen der bundesweiten "Woche für das Leben" zur Podiumsdiskussion "Zwischen Rationierung und Rationalisierung" eingeladen. Viele Chefärzte und hochrangige Mediziner waren gekommen. Auf dem Podium saßen mit Klaus Höffgen, Rupert Scheule und Bernd Weber ein Arzt, ein Ethiker und ein Betriebswirtschaftler.
Dass all diese drei Bereiche im Klinikalltag zusammenspielen, machte der Jenaer Medizinprofessor Höffgen schnell klar: "Wir unterhalten uns heute auf der Station genauso viel wenn nicht mehr über betriebswirtschaftliche wie über medizinische Fakten." Das bedeutete allerdings nicht, dass das Arzt-Patienten-Verhältnis so sei, wie das eines Dienstleisters zum Kunden. "Gesundheit ist keine Ware." Auch Rupert Scheule, Moraltheologe von der Universität Augsburg, wehrte sich dagegen, den Patienten als Abholer von Leistungen zu sehen. "Der Patient ist auch Ko-Produzent von Gesundheit", sagte Scheule. Höffgen stimmte zu: "Die Gesunden sind genauso gefordert wie die Kranken." Der Mediziner ist ein entschiedener Vertreter der Stärkung von Präventivangeboten.
Zum Thema Ressourcenknappheit im Gesundheitswesen sprach sich Bernd Weber, Geschäftsführer der Frankfurter Diakonie-Kliniken, dafür aus, nicht nur nach mehr staatlichen Mitteln zu verlangen. Erst einmal sollten die Effizienzreserven ausgenutzt werden: "Da ist noch Luft drin", meint der Betriebswirtschaftler. "Wir müssen nicht nur über Kostenexplosion, sondern auch über Leistungsexplosion reden", sagte Höffgen. Der Krebsexperte weiß aus der Praxis, dass es nicht darum gehen könne, um jeden Preis Leben zu verlängern, sondern darum Leiden zu verhindern. Diese Einstellung dürfe allerdings nie zu einer Rationierung von Gesundheit führen - dass zum Beispiel wie in anderen Ländern manche Behandlungen im Rentenalter nicht mehr verfügbar sind. Michael Haspel von der Evangelischen Akademie fasste zusammen: "Es gibt eine Berechtigung über Marktfragen nachzudenken, allerdings ist es auch Teil unserer christlichen Auffassung, in der Medizin nach Gewissen zu handeln."
Die "Woche für das Leben", dieses Jahr vom 5. bis 12. April, ist eine gemeinsame Initiative der Deutschen Bischofskonferenz und des Rats der Evangelischen Kirche Deutschland. Die Aktion soll dazu beitragen, Wert und die Würde des menschlichen Lebens - am Lebensanfang und Lebensende, in Krankheit oder Behinderung - bewusst zu machen.
Von Luise Strothmann